Reformierung des Flüchtlingsrechts: Ein unmoralisches Angebot

Die Union geht auf die Grünen zu, damit diese das umstrittene Gesetz über „sichere Herkunftsstaaten“ im Bundesrat durchwinken.

Yamen al Abdullah aus Syrien in seiner Asylunterkunft in Bayern. Bild: dpa

BERLIN taz | Rund 55.000 Asylanträge wurden zwischen Januar und Ende Mai in Deutschland gestellt. Jeder fünfte davon stammte von Serben, Bosniern oder Mazedoniern, darunter viele Roma. So gut wie alle Anträge aus diesen Ländern werden abgelehnt, doch bis zur Ausreise oder Abschiebung der Antragsteller vergehen meist einige Monate.

Um diese Zeitspanne zu verkürzen, drängt das CDU-geführte Innenministerium darauf, die Liste der sogenannten sicheren Herkunftsländer um Serbien, Mazedonien und Bosnien zu erweitern. Dann ist eine umgehende Abschiebung der Antragsteller nur wenige Tage nach ihrer Einreise möglich. Die CDU schrieb das Vorhaben in ihren Koalitionsvertrag mit der SPD, am 2. Juli verabschiedete der Bundestag mit den Stimmen der Großen Koalition das entsprechende Gesetz.

Doch die sieben Bundesländer, in denen die Grünen mit an der Regierung sind, sowie das rot-rot regierte Brandenburg stellen sich quer. „Die Asylanträge aus diesen Ländern müssen weiterhin individuell geprüft werden“, sagte die grüne rheinland-pfälzische Integrationsministerin Irene Alt während der Bundesratsdebatte am 12. Juni.

Denn die Lage der Roma auf dem Balkan sei „prekär, ihre Lebenserwartung liegt teils zehn Jahre unter der der Gesamtbevölkerung“. Zudem würden einige von ihnen durch Polizisten misshandelt und gefoltert. Das Gesetz fiel durch.

Spielraum für Kompromisse

In der letzten Woche traf sich eine Vermittlungsgruppe unter Leitung von Kanzleramtsminister Peter Altmaier mit den Ländern, um auszuloten, welchen Spielraum es für Kompromisse gibt. Dabei machte die Union ein Angebot, das die Grünen in eine politische Zwickmühle bringt: Sie zeigte nicht nur Bereitschaft, mehr Flüchtlinge aus dem syrischen Bürgerkrieg aufzunehmen, sondern auch, die sogenannte Vorrangprüfung für Asylbewerber und Geduldete, die einen Job suchen, zu streichen. Bislang dürfen diese nur dann einen Job annehmen, wenn die Arbeitsagentur zustimmt. Und das tut sie nur, wenn es für die Stelle keine potenziellen deutschen Bewerber gibt.

Von einem Wegfall dieser Regelung würden etwa 56.000 Geduldete und etwa 109.000 Personen mit laufendem Asylverfahren direkt profitieren. Etwa 5.000 Anträge auf eine Arbeitserlaubnis gingen im vergangenen Jahr bei den Arbeitsagenturen ein, mehr als die Hälfte davon wurden abgelehnt. Insbesondere in strukturschwachen Regionen stellen viele Flüchtlinge gar nicht erst einen Antrag, weil sie genau wissen, dass sie dort keine Chance haben, weil die Datenbanken der Jobcenter voll sind mit einheimischen Jobsuchenden.

Die Linkspartei, die in Brandenburg mitregiert, will sich auf so einen Deal nicht einlassen. Bei den Grünen koordiniert Rheinland-Pfalz die Verhandlungen der Länder. „Wir werden den Teufel tun, dazu jetzt etwas zu sagen“, heißt es dort im Integrationsministerium. Und die Berliner Parteizentrale lehnt de Maizières Pläne, die Balkanstaaten für sicher zu erklären, kategorisch ab. „Die beiden Sachen haben nichts miteinander zu“, sagt die grüne Asylexpertin Luise Amtsberg: „Es ist richtig, mit der CDU zu sprechen, aber das Gesetz wird nicht richtiger, wenn es dafür Verbesserungen im Asylbereich gibt.“

Doch die Entscheidung liegt bei den Bundesländern – und die haben eigene Interessen. Denn die Kommunen, die nach dem Asylbewerberleistungsgesetz für die Sozialleistungen aufkommen müssen, würden vom Wegfall der Vorrangprüfung profitieren. Jeder Flüchtling, der arbeiten kann, kostet sie kein Geld mehr. Gerade für klamme Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen könnte der Deal deshalb verlockend sein.

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