Forscher über ungetestete Ebola-Medizin: „Man weiß nie, was passiert“

Ebola-Patienten aus den USA wurde ein nicht getestetes Medikament verabreicht. In Ausnahmefällen sei das in Ordnung, sagt der Chef der Tropenmedizin-Gesellschaft.

Zur Herstellung des Medikaments gegen Ebola werden Tabakpflanzen verwendet. Bild: dpa

taz: Herr Burchard, zwei amerikanischen Ebola-Patienten wurde ein Medikament verabreicht, das noch nicht auf dem Markt ist und auch nicht vollständig getestet wurde. Wie kam es dazu?

Gerd Burchard: Es gibt gegen Ebola noch keine etablierte Therapie. Aus meiner Sicht sollte man das jetzt als einen individuellen Heilversuch ansehen. Das heißt, wenn man mit dem Rücken zur Wand steht und nichts Anderes hat, dann probiert man eben das aus, was noch in der Entwicklung ist. Die Firma in den USA hat das Medikament ja seit längerer Zeit in Entwicklung. Wie genau das dann von den USA aus zu den beiden Patienten gekommen ist, kann ich Ihnen auch nicht sagen.

Die Firma hat vermutlich mitbekommen, dass es Fälle bei Amerikanern gibt und hat es dann angeboten. Und jemand wird gesagt haben: „schickt uns das, wir halten es für gerechtfertigt, das auszuprobieren“. Das ist der normale Verlauf. Und das ist dann eben keine klinische Studie, sondern sollte als Heilversuch gewertet werden.

Was wissen Sie über das Mittel?

Ich kenne einige Publikationen, die es in der Forschung zu Medikamenten gegen Ebola gibt. Es handelt sich hier um monoklonale Antikörper. Das sind hergestellte Antikörper, die sich im Gegensatz zu natürlich vorkommenden polyklonalen Antikörpern nur gegen ein einzelnes in den Körper eingedrungenes Antigen richten und nicht gegen viele. Es liegt nahe, eine Krankheit wie Ebola oder auch Lassafieber mit Antikörpern zu behandeln.

An Menschen war das Mittel aber noch gar nicht getestet worden?

Nein, meines Wissens nach nicht. Zumindest ist es noch nicht publiziert worden.

Gab es schon öfters Fälle, in denen in Notfällen ungetestete Medikamente verabreicht wurden?

Der Facharzt für innere Medizin ist am ifi-Institut für Interdisziplinäre Medizin in Hamburg tätig und erster Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin und Internationale Gesundheit. Er ist außerdem Mitglied der Arzneimittelkommission der Ärzteschaft sowie der Ethikkommission der Ärztekammer Hamburg.

Das gibt es mit Sicherheit häufiger. In vielen Bereichen. Auf der einen Seite als klinische Studien mit wissenschaftlicher Auswertung, auf der anderen Seite gibt es immer wieder Heilversuche. Wenn ich zum Beispiel ein neues Krebsmedikament habe und einen verzweifelten Fall, in dem abzusehen ist, dass sonst nichts mehr hilft, dann probiere ich das einfach mal aus. Das gibt es bei allen lebensbedrohlichen Krankheiten. Wenn man nichts anderes hat außer etwas in der Entwicklung, das zwar noch nicht getestet ist, das macht man das als letzte verzweifelte Möglichkeit schon mal.

Wer übernimmt in so einer Situation der Verantwortung? Ist das juristisch nicht auch eine schwierige Situation?

Nein, eigentlich nicht. Das ist ein individueller Heilversuch. Das heißt, der behandelnde Arzt hat die Verantwortung und der Patient muss natürlich aufgeklärt worden und damit einverstanden sein. Ich kenne die US-Situation nicht genau, und wenn es dann auch noch ein Medikament ist, das in Afrika gegeben wird, ist das wahrscheinlich rechtlich sehr kompliziert. Aber in Deutschland wäre das auch möglich. Hier kann ich einen solchen individuellen Heilversuch machen.

Bewegt sich das Pharmaunternehmen, das das Mittel herstellt da im Bezug auf Nebenwirkungen auf dünnem Eis?

In meinen Augen nicht. Der Hersteller kann ja nur sagen: wenn der Patient ohne Medikament stirbt, ist es gerechtfertigt, es auszuprobieren. Ich habe in den letzten Tagen den Vergleich mit einem Fall aus London von vor einigen Jahren gehört, bei dem Patienten durch die Behandlung mit monoklonalen Antikörpern schwere Nebenwirkungen bekamen. Da handelte es sich aber um Antikörper gegen körpereigene Substanzen und nicht wie hier um solche gegen einen Erreger. Man weiß natürlich nie, was passiert, aber mit diesem Fall ist das jetzt nicht vergleichbar.

Was denken Sie, warum bekommen die beiden Amerikaner das Mittel während es bei Afrikanern nicht ausprobiert wurde?

Das könnte man ja genau so gut andersherum sagen. Hätte man es jetzt bei Afrikanern ausprobiert und bei Amerikanern sicherheitshalber nicht, dann käme jemand und würde sagen, die Afrikaner werden als Versuchskaninchen benutzt. Das kann man natürlich so oder so sehen. Zweitens steht das Mittel sicherlich nur in sehr sehr geringer Menge zur Verfügung. Das ist bestimmt nichts, was man jetzt großflächig einsetzen kann. Wie die Auswahl der Patienten letztendlich stattfindet, ist immer willkürlich.

Es hat ja anscheinend ziemlich gut gewirkt, man liest vom „Wundermittel“ und davon, dass es den Patienten eine Stunde später bereits besser ging. Wie schätzen Sie das ein?

Da habe ich keinen direkten Zugang zu Informationen. Aber wenn so ein Mittel bei ein bis zwei Personen ausprobiert wird, sagt das erst mal noch gar nichts. Das kann man nur als Hinweis nehmen, eine richtige Studie zu organisieren.

Gibt es diesbezüglich denn jetzt Pläne?

Ich habe keine Einblicke darüber, was die Firma jetzt plant. Es gibt die üblichen Phasen. Phase eins, das Mittel wird einigen gesunden Menschen verabreicht und man schaut, welche Nebenwirkungen auftreten. Dann gibt es eine Dosisfindungsstudie und so weiter. Die Firma wird das sicherlich jetzt anleiern und es wird den normalen Gang gehen.

Könnten Sie sich vorstellen, dass das Medikament in naher Zukunft produziert und großflächig in Afrika gegen Ebola eingesetzt werden kann?

Nein, ich denke nicht. Ich glaube das ist von der Produktion und vom Einsatz her zu teuer. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das jetzt die Lösung wird. In Einzelfällen vielleicht ja, aber ich denke das Medikament wird sicherlich sehr teuer sein, weil es zum einen noch getestet werden muss, zum anderen aber auch in der Herstellung. Monoklonale Antikörper herzustellen, ist nicht gerade billig.

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