Alte Atommeiler: Japan will ein bisschen vom Netz

Erstmals will ein Betreiber aus Kostengründen einen Reaktor stilllegen. Die Regierung verspricht Hilfe – und setzt auf modernere Atomkraftwerke.

Alt, teuer, vor dem Aus? Atomkraftwerk im japanischen Mihama Bild: IAEA Imagebank | Lizenz: </a href="http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/">CC BY-SA 2.0</a>

TOKIO taz | Für Japans alte Atomreaktoren könnte demnächst endgültig Schluss sein: Als erster Betreiber erwägt Kansai Electric, kurz Kepco, die Stilllegung von Meilern, die älter sind als 40 Jahre. Insgesamt könnte ein Dutzend und damit jeder vierte Atommeiler in Japan aus Altersgründen ausrangiert werden. Das zuständige Industrieministerium unterstützt die Stilllegungen, um dadurch die Akzeptanz der Atomkraft zu erhöhen. Derzeit sind alle 48 AKWs abgeschaltet.

Kurz nach der Fukushima-Katastrophe hatte die damalige Mitte-links-Regierung die Laufzeit von Atomkraftwerken auf 40 Jahre begrenzt. Zwar wurde eine Verlängerung der Betriebsgenehmigung um bis zu 20 Jahre erlaubt. Doch im Juli 2013 wurden die Sicherheitsauflagen für alle Anlagen verschärft. Dadurch stehen die Betreiber vor einer schwierigen betriebswirtschaftlichen Entscheidung: Lohnt sich die teure Nachrüstung, wenn die Kraftwerke höchstens noch zwei Jahrzehnte laufen?

Für zwei der drei Reaktoren von Kepcos Atomanlage in Mihama geht die Rechnung offenbar nicht auf. Reaktor 1 und 2 gingen vor 42 bzw. 44 Jahren ans Stromnetz. Der Einbau eines modernen Filtersystems, die Konstruktion eines externen, strahlensicheren Kontrollzentrums und andere vorgeschriebene Modernisierungen dürften umgerechnet weit über 1 Milliarde Euro verschlingen. Gleichzeitig liefern die beiden Meiler zusammen nur 840 Megawatt Strom, deutlich weniger als ein einziges modernes Atomkraftwerk. Am Freitag hat Kepco nun angekündigt, mit der Stadt Mihama über eine Stilllegung sprechen zu wollen.

Dabei bilden die finanziellen Lasten das größte Problem. Durch die Abschaltung ihrer drei Atomkomplexe nach Fukushima hat Kepco umgerechnet 4,5 Milliarden Euro Verluste gemacht. Bereits gebildete Rückstellungen decken die Abbaukosten nicht. Den Wertverlust durch eine Stilllegung können die Versorger zwar neuerdings über mehrere Jahre abschreiben. Aber die hohen Abschreibungen für die Kraftwerke und den nuklearen Brennstoff belasten die Bilanz. Das lässt die Versorger zögern.

Doch die Ministerin für Wirtschaft, Handel und Industrie, Yuko Obuchi, versprach ihnen in einem Interview „glatte“ Stilllegungen – offenbar will sie notfalls auch finanziell helfen. Denn ein Ausrangieren der Altanlagen könnte das gesunkene Vertrauen der Bevölkerung in die Atomkraft stärken. Und die öffentliche Meinung dann zugunsten der Neustarts als sicher eingestufter Atommeiler kippen.

Zwar versicherte Obuchi am Freitag, dass auf absehbare Zeit keine neuen AKWs gebaut würden. Doch ihre Aussage widerspricht nur scheinbar dem Energieplan der Regierung vom April. Darin wird Atomkraft zur „wichtigen Quelle für die Stromgrundversorgung“ erklärt und dafür der Neubau von Meilern erlaubt. Wegen der ablehnenden Haltung der Bevölkerung ist die Genehmigung von neuen Standorten kurzfristig schwer vorstellbar. Als Ausweg könnten die Betreiber ihre Anlagen erweitern oder neue Meiler an derselben Stelle wie die abgerissenen Reaktoren errichten.

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