Computerspiel DayZ: Die wahren Zombies sind die Spieler

In DayZ gilt es, nach der Zombie-Apokalypse lange durchzuhalten. Schwierig machen das Mitspieler, die nicht nur schießen – sondern auch foltern.

Foltern gehört zum Alltag bei DayZ. Screenshot: http://www.youtube.com/channel/UC1ieoHqKW-yYgDhLHIcx28w

Zwischen drei Männern mit Gasmasken, Macheten und Tarnklamotten kniet ein Gefangener am Boden. Er war auf der Suche nach Trinkwasser in dieses verlassene Dorf gekommen und wurde von den anderen überwältigt, die zwischen den verfallenen Backsteinhäusern in einem verwilderten Garten auf der Lauer lagen.

Sie haben ihm Handschellen angelegt und die Beine gebrochen. Für ihn ist das Spiel gleich vorbei. „Who's your daddy?“, fragt ein Geiselnehmer und kichert ins Mikro, als hätte er versehentlich einen guten Witz gemacht. Er klingt schwer nach Stimmbruch, hat einen deutschen Akzent und spielt sein Folterprogramm routiniert ab. Das heißt: Klamotten ausziehen und gehorchen. „Schrei lauter, sonst knall ich dich ab", befielt er. Zehn Minuten später stirbt die Geisel dann auch ohne Kugel, weil ihr jemand eine Flasche Desinfektionsmittel in den Hals gegossen hat.

Ziel des Computerspiels „DayZ“ ist es, nach einer Zombie-Apokalypse möglichst lange am Leben zu bleiben. Die Untoten sind dabei jedoch nicht das größte Problem. Der Folterknecht mit der Gasmaske hingegen ist extrem gefährlich und im doppelten Sinn ein Mensch: Im Spiel ein „Survivor“ und in der Echtwelt ein Jugendlicher am Computer. Auch, wer seine Demütigungen aushält, muss mit realen Konsequenzen umgehen: Wer tot ist, bleibt tot. Wer aber genug bettelt oder das richtige Angebot macht, wird vielleicht laufen gelassen und kann die Figur weiterspielen. Der Gegenüber tötet zum Selbstzweck, bekommt nicht einmal Punkte dafür.

„DayZ“ ist eine Sandbox: Eine Spielumgebung, die außer dem Überleben kein Ziel vorgibt. Man schleicht um die Zombies herum und sucht in Ruinen nach Ausrüstung. Und Nahrung, denn Verhungern ist tatsächlich eine akute Gefahr: Wer in einer vermüllten Küche mit Dosenspaghetti in der Tasche tot zu Boden sackt, weil er keinen Öffner auftreiben konnte, lernt die Detailfreude von „DayZ“ kennen.

Ausnahmezustand ist Krieg

Meist ist man mit solchen Probleme allein: Maximal 40 SpielerInnen pro Server verteilen sich auf die 225 Quadratkilometer große Spielwelt Chernarus. Dieser „post-sowjetische Staat" wurde einem Stück Tschechiens im Detail nachempfunden und wirkt so extrem realistisch: Die bewaldete Hügellandschaft gibt dem Horrortrip eine realistische Bühne.

Hat man die ersten Stunden überlebt, kann man mit einem Rucksack voller potenzieller Beute am eigenen Leib erfahren, was Handlungsfreiheit im Ausnahmezustand bedeutet. Hier in der Regel: Krieg. Zwei Stunden herum zu irren, um plötzlich von einem Scharfschützen aus dem Hinterhalt erschossen zu werden, ist für manche die erste und letzte „DayZ“-Erfahrung.

Ansonsten heißt es, auszuprobieren, was im Spiel möglich ist. Lässt sich das Reh da hinten jagen und verspeisen? Ja, klappt. Und genauso kann man eben auch das Desinfektionsmittel statt zum Frischmachen von Bandagen dafür benutzen, Gefangene zu vergiften. Die Neugier hält das Spiel am Laufen.

„Rape-Jokes sind vorprogrammiert“

Was das bedeuten kann, berichtet ein breitschultriger Typ in Handschellen, der bis auf die graue Unterhose nackt an der Landstraße als Zombiefutter zurück gelassen wurde. Erst die Stimme verrät, dass hinter der maskulinen Figur eine Frau steckt. Weibliche Charaktere gibt es zwar auch, aber spielen wolle sie die nicht mehr. Denn wenn Geiselnehmer beim standardmäßigen Entkleiden ihrer Opfer auf das blaue Höschen mit weißen Sternchen stoßen, seien „Rape-Jokes vorprogrammiert", sagt sie.

Doch die Bevölkerung von Chernarus besteht nicht nur aus Gewaltverbrechern und Opfern. Über zwei Millionen Zugänge hat der Hersteller „Bohemia Interactive“ gezählt, obwohl das Spiel noch gar nicht fertig, sondern noch in der Testphase, ist. In der Nähe des Hafens sind gerade ein paar Schweden unterwegs, die sich als Ordnungsmacht versuchen. Eine Gestalt mit Motorradhelm und Sturmgewehr verteilt Dosenthunfisch an Neuankömmlinge und klingt wie ein Prediger: „Seht ihr, so macht das hier doch viel mehr Spaß, als anderen das Spiel zu versauen.“

Vielleicht war er es ja, der in seiner Kundenrezension auf der Plattform Steam schrieb, „ein Spiel wie „DayZ“ steht und fällt mit der Community“. Und die bestehe „zum größten Teil aus minderbemittelten Schießwütigen“. Aber vielleicht liegt ja gerade darin die traurige Wahrheit von „DayZ“. Denn bei einer echten Zombie-Apokalypse, müsste man es ja mit der gleichen Menschheit aushalten, die hier am Computer sitzt.

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