Kommentar Netzneutralität: Ladebalken vor!
Die Gleichbehandlung von allen Sendern und Empfängern im Netz ist in Gefahr. Sie ist aber eine wesentliche Voraussetzung für Demokratie.
D as Internet kann auch nerven. Ice Bucket Challenge, Biernominierungen, ein Stempel auf dem Profilfoto – irgendwer will immer, dass man irgendeinen Unfug macht. Nun fordert die amerikanische „Battle for the net“-Kampagne, dass man Ladebalken auf seinen Internetseiten und Social Media Profilen hochlädt „für die Netzneutralität“.
Netzneutralität bedeutet, dass alle Daten gleichberechtigt durch das Internet fließen, und kein Sender oder Empfänger bevorzugt wird. In den USA steht eine Einschränkung dieser Gleichbehandlung bevor. Die Kampagne will das verhindern. Und zwar aus guten Gründen:
Die Bilder der Kampagne schaffen Sensibilität fürs Thema. Netzneutralität ist ja ein Begriff, mit dem bislang nur die Wenigsten etwas anfangen können. Ätzende Ladebalken kennt hingegen jeder. Die Befürchtung auf youtube keine Videos mehr schauen können, hat 2012 schon mal Tausende Menschen gegen das Anti-Piraterie-Abkommen ACTA auf die Straße gehen lassen. Und Aktivisten werden auch jetzt gebraucht. Denn auch in Europa ist der Kampf um die Netzneutralität keineswegs gewonnen.
Zwar stimmte das EU-Parlament im April bei der Neuregelung des europäischen Kommunikationsmarktes im Sinne der Netzneutralität. Doch es blieben Lücken: Ausnahmen für sogenannte Spezialdienste. Was darunter zu verstehen ist, blieb schwammig. Hinter ihnen könnten sich Zusatzleistungen von Internetanbietern verstecken, die der Netzneutralität widersprechen.
Zudem muss der Vorschlag des Parlaments noch durch den Ministerrat. Dieser könnte ihn ablehnen. Doch selbst wenn irgendwann die europäische Gesetzgebung die Netzneutralität vollständig sichert, drohen weitere Gefahren: TAFTA, TTIP, CETA die Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union, USA und Kanada. Wenn Amerika die Netzfreiheit einschränkt, sodass Telekommunikationsunternehmen daraus Gewinn schlagen können, könnten amerikanische Unternehmen, die nach Europa kommen, einfordern, auch in Europa nach den gleichen Regeln zu spielen.
Ausländische Unternehmen, die bereits in Europa sitzen, könnten bei einer gesetzlichen Durchsetzung der Netzneutralität zudem beim Schiedsgericht für Investitionsstreitigkeiten ICSID Klage gegen einzelne europäische Staaten einreichen und so die europäische Gesetzgebung unterlaufen. Die Aktion mit den Ladebalken wird nerven. Doch ein Internet ohne Netzneutralität nervt noch mehr.
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