Sonnwendfeier von NPD-Anhängern: „Nazis verpisst euch“

Auf einem Hof in Niedersachsen pflegen Rechte heidnische Bräuche zur Selbstlegitimation. Abseits des Hofs protestieren Demonstranten dagegen.

Der Hof von Joachim Nahtz in Eschede. Bild: dpa

ESCHEDE taz | Schneeregen in der Südheide. Ein eisiger Wind bläst das Transparent mit der Aufschrift „Schluss mit den Nahtzscheiß“ auf. Der Wind drückt auch gegen ein weiteres Transparent: „Es gibt kein ruhiges Hinterland – Schluss mit dem Nazitreff“. An der Bundesstraße L 281 stehen trotz des Wetters an die 60 Demonstranten, um gegen eine Wintersonnwendfeier auf dem Bauerhof des NPD-Anhängers Joachim Nahtz zu protestieren.

Hier an der Kreuzung vor der niedersächsischen Gemeinde Eschede hat das „Celler Forum gegen Gewalt und Rechtsextremismus“ schon oft zu Kundgebungen aufgerufen. „Seit 2007 stehen wir an dieser Kreuzung, um gegen die verschiedenen Naziveranstaltungen auf dem Hof zu protestieren“, sagt Kirsten Dieckmann vom „Forum“. Matthias Richter-Steinke freut, dass auch an diesem Samstag Leute gekommen sind. „Bei dem Wetter hatte ich schon gedacht, dass wir heute sehr wenige werden könnten“, sagt der Regionalgeschäftsführer DGB Region Nordostniedersachen. Die Stimmung ist unter den wetterfest Gekleideten und Punks dann auch bestens.

Heiße Getränke werden gereicht, Regenschirme mit selbst aufgedruckten Parolen wie „Nazis verpisst euch“ sind der Renner. Ein Mann erinnert daran, dass sie doch beim ersten Protest an der Kreuzung „fast festgefroren“ wären, da sei der „Schneeregen heute doch nichts“.

Ein Schotterweg geht von der Kreuzung ab, knapp zwei Kilometer hoch liegt der Hof von Joachim Nahtz. Im Schneeregen ist nicht zu sehen ob am Nachmittag Vorbereitungen für die Feier laufen. Seit mehr als 20 Jahre nutzt die Szene den Hof des fast 80-jährigen Ideologen. Auf dem heruntergekommenen Gelände richten NPD, Freie Kameradschaften und „Düütschen Deerns“ immer wieder Brauchtumsfeste, Veranstaltungen und Konzerte aus.

Der „arteigene Glaube“

Die Sonnenwendfeiern sind für die Szene nicht bloß Anlass, Met im Feuerschein zu genießen. Alte heidnische Bräuche gehören schon seit der völkischen Bewegung 1871 zur ideologischen Selbstlegitimation. Am Feuer werden Rituale und Beschwörungen praktiziert, um mit sich, der Natur und dem „eigenen Volk“ eins zu werden. Das Heidentum ist für die Szene der „arteigene Glaube“, anders als das Christentum, in dem jeder Mensch als gleichwertig betrachtet und Mitgefühl gelebt wird. Für militante Rechtsextreme ist das nichts. „Das gemeinsame Verweilen an der Glut des Sonnenwendfeuers“ stärke das Zusammengehörigkeitsgefühl und gebe „neue Kraft für jene Taten, die unser Volk wieder zu dem erwachsen lassen, das es einstmals war“, erklärte vor Jahren der regionale Kameradschaftsführer Dennis Bührig bei einer Wintersonnenwendfeier.

Edda Schmidt, langjährige NPD-Aktivisten, wurde auf der Webseite der „Deerns“ deutlich: „In unseren Festen ist trotz der Überfremdung (...) die Weltanschauung des nordischen Menschen (...) erhalten geblieben.“ Die „Brauchtumspflege“ sei das Bollwerk gegen „Umerziehung“. Im Verlauf der Sonnenwendfeiern werden Reden vor dem im Kreis stehen Anhängern gehalten, Kinder und Jugendlichen tragen oft Gedichte vor.

In diesem Jahr kam in der Gemeinde Eschede kurz die Hoffnung auf, dass der Treff an der L 281 schließen könnte. Ein Feuer beim Entrümpeln hatte den Hof im August stark beschädigt. Ein Funkenflug soll laut Polizei den Brand ausgelöst haben. Die Scheune brannte ab, weitere Gebäude wurden beschädigt, Tiere starben. Den Schaden schätzte die Polizei auf rund 80.000 Euro.

Seit dem Feuer fänden jedoch fast jedes Wochenende NPD-Kameradentreffen in „Form von 'Brandopferhilfe'“ statt, sagt Dieckmann vom „Celler Forum“. Die Szene wolle im Norden nicht ihre „zentrale Treffmöglichkeit“ verlieren. Auch eine Versteigerung für die Familie Nahtz war angekündigt, um den Hof zu erhalten. So lange werden Dieckmann und die anderen auch weiter an der Kreuzung stehen – egal, bei welchem Wetter.

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