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US-Gesetz zu TodesurteilenDie neue Lust an der Exekution

In Utah ist die Hinrichtung per Erschießung wieder möglich. Der republikanische Gouverneur Gary Herbert unterzeichnete das Gesetz am Montag.

Erstmal bleibt er ungenutzt – Exekutionsraum in Utah. Bild: ap

Utah war der einzige Bundesstaat der USA, der nach der Wiedereinführung der Todesstrafe 1976 per Erschießungskommando hinrichten ließ – und er wird wohl auch der erste sein, der das wieder zulässt. Am Montag unterzeichnete der republikanische Gouverneur Gary Herbert ein Gesetz, mit dem Hinrichtung durch Erschießung wieder möglich wird, sollten dem Staat die Chemikalien für eine Exekution per Giftspritze nicht zur Verfügung stehen.

Derzeit nämlich haben die Henker in Utah keines der gängigen Medikamente mehr zur Hand – sowohl in Europa als auch in den USA weigern sich die Hersteller, US-Gefängnisse damit zu beliefern. Ihr Ruf hat darunter gelitten, Medikamente zum Töten bereitzustellen.

Auch Herbert findet Erschießungskommandos „ein bisschen grausig“, er besteht aber darauf, der Staat müsse in der Lage sein, Todesurteile auch zu vollstrecken. Das sicherzustellen, sei die Pflicht der Exekutive, sagte ein Sprecher des Gouverneurs.

Zuletzt war 2010 in Utah ein verurteilter Mörder per Erschießungskommando hingerichtet worden. Dabei wird der Gefangene auf einen Stuhl gefesselt, er bekommt eine schwarze Kapuze über den Kopf gezogen. Ein Arzt hört den Gefangenen ab und pinnt an der Stelle des Herzens eine weiße Zielscheibe an die Brust.

Freiwillige Polizisten schießen

Fünf freiwillige Polizisten – und es gebe, heißt es, stets mehr freiwillige, als benötigt werden – erhalten Winchester-Gewehre und schießen auf Kommando durch Schießscharten hinter einer Wand auf die bezeichnete Stelle. Eines der Gewehre ist mit Platzpatronen geladen, sodass sich die Henker einbilden können, sie selbst hätten gar keinen Menschen getötet.

Treffen sie gut, zerreißen die Kugeln dem Verurteilten das Herz, die Blutzufuhr zum Gehirn wird sofort gestoppt und der Tod tritt schnell ein. In diesem Fall – und wenn der Gefangene zuvor eingewilligt hat – können Nieren, Leber und andere Organe noch zur Transplantation entnommen werden. Treffen die Schützen nicht richtig, verblutet der Gefangene langsam, und die Organe sind wertlos. Gary Gilmore, der 1977 in Utah staatlich erschossen wurde, hatte seine Nieren spenden wollen – sie waren von Kugeln durchsiebt und wertlos.

Immer häufiger aufgedeckte Fehlurteile und massive Probleme beim Einsatz der Giftspritze – im April letzten Jahres wand sich der verurteilte Clayton Lockett in Oklahoma eine Dreiviertelstunde lang im Todeskampf – haben in anderen Bundesstaaten zu Moratorien geführt, die einer De-facto-Abschaffung der Todesstrafe schon recht nahe kommen. Nicht so in Utah.

Zwar liegt der Bundesstaat mit sieben Hinrichtungen zwischen 1977 und 2010 wahrlich nicht an der Spitze der Hinrichtungen – allein in Texas starben im gleichen Zeitraum 522 Menschen von staatlicher Hand. Aber von den sieben Hinrichtungen fanden drei durch Erschießungen statt – und das gab es nirgendwo anders.

Erschießen erregt internationale Aufmerksamkeit

Erschießungskommandos – so Befürworter der Todesstrafe – seien deshalb ungünstig, weil sie international viel Aufmerksamkeit erregen und vom Leid der Opfer des Verurteilten ablenken. Die Wiederaufnahme ließe den Staat „rückständig“ aussehen, kritisierte die Bürgerrechtsorganisation ACLU.

Nur: Dem Gouverneur von Utah, einem aktiven Mormonen, macht das nichts aus. Nahezu trotzig besteht er auf das Recht zum Hinrichten – und das hat Methode in den USA, insbesondere bei republikanischen Gouverneuren in traditionell konservativen Staaten. Je mehr Druck auf ihnen lastet, desto sicherer werden sie nicht vom Kurs abweichen – eine tödliche Trotzreaktion.

Ob nun seinerzeit die deutsche Bundesregierung wegen verweigerten konsularischen Beistands gegen die Hinrichtung der Brüder LeGrand in Texas protestierte, ob der Papst, wie erneut vor wenigen Tagen, die Todesstrafe geißelt, ob die USA international in einer Reihe stehen mit China, Iran und Saudi-Arabien – egal, es wird umgebracht.

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22 Kommentare

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  • Wie wärs mit googeln und nachlesen?

    • @KarlM:

      Ich bevorzuge Informationen aus erster Hand.

      • @Friedrich Zoller:

        Na einen seltsamen Humor haben Sie schon.

  • Was unterscheidet eigentlich den Scharfschützen vom Scharfrichter, mal so moralisch gesehen?

    • @Friedrich Zoller:

      "Googeln" Sie die Funktionen und Aufgaben, und Sie werden eine Antwort finden.

  • na, fast wie in Russland.

  • Die Genickschußanlage in Buchenwald war ein verdecktes Loch in einer Meßlatte zur Feststellung der Körpergröße - wie beim Arzt. Der Hinrichtungsraum war als Arztpraxis getarnt...

    • @Gion :

      Man war also schon mal moderner als heute.

  • Was für ein nutzloser Artikel, Todesstrafe bleibt Todesstrafe, klar ist es ein Unterschied ob man jemanden bei lebendigen Leibe verbrennt oder einen "sauberen" schnellen Tod bringt , aber Giftspritze soll ja in Einzelfällen auch sehr grausam gewesen zu sein. Der Punkt ist doch, dass die Todesstrafe ein Fehler ist und was ist daran unmenschlicher denjenigen zu erschiessen? Hier wird der Eindruck vermittelt als wäre die Methode das Problem...

    • Bernd Pickert , Autor des Artikels, Auslandsredakteur
      @wirklich?:

      Todesstrafe bleibt Todesstrafe, da haben Sie vollkommen Recht. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass ich im Text auch nur zwischen den Zeilen irgendeine Methode als "menschlicher" dargestellt hätte.

      Allerdings: Gerade die Debatte über die Methode hat inzwischen in vielen Bundesstaaten zu Moratorien geführt und ein Umdenken hervorgebracht, was jahrzehntelange Grundsatzkritik an der Todesstrafe leider nicht vermocht hat. Insofern ist es denn schon wieder bemerkenswert, dass Utah sich dem nicht anschließt, sondern dann eben anders töten will.

      • @Bernd Pickert:

        Also der Eindruck Sie würden diesen grausamen Unfug befürworten entsteht wirklich nicht Herr Pickert.

         

        Was dafür nicht so ganz klar herauskommt: Wer hat eigentlich diese sachlich falsche Behauptung von der angeblichen Wirkung des Herzschusses verbreitet? Der Gov.?

         

        Den beschrieben Umstand kennt die Wundballistik tatsächlich nur als seltene Ausnahme. Im "Normalfall" kann es Minuten dauern bis der Tod bei vollem Bewußtsein eintritt.

         

        Trägt deutliche Züge einer gewissen Inhumanität sich auf solche bewußt falschen Angaben zurückzuziehen.

         

        Hoffentlich bietet dieser Umstand einen juristischen Ansatz die Todesstrafe abzuschaffen!

        • @KarlM:

          Sie meinen also, daß der Todesschuß vom Berliner Brunnen inbesondere durch die Art der handwerklichen Ausführung inhuman war.

           

          Was letztlich bedeutet, daß im Umgang mit Schußwaffen dilettantisch agierende Beamte mitten in der Öffentlichkeit eingesetzt werden.

          • @Friedrich Zoller:

            Da haben Sie aber lange dran herumüberlegt, und doch ist wieder nicht draus geworden....

             

            Der pol. SWG am Neptunbrunnen war auf "Stoppen der rechtswidrigen Handlung" abgestellt. Es handelt sich faktisch und juristisch NICHT um einen "gezielten Todesschuss", der ist i.a. nach Pol.G. verboten und nur in Ausnahmelagen als "finaler Rettungsschuss" möglich.

             

            Somit kein unprofessioneller SWG in der Lage, ob es überhaupt dazu kommen musste ist eine andere Frage.

             

            Dagegen beschreibt der Artikel von Herrn Pickert ein höchst fragwürdiges Verhalten der Amtsseite. Dazu noch begründet mit sachlich falschen Behauptungen welche die Wundballistik schon lange widerlegt hat. Zumal schon im WK 1. Herzdurchschüsse mit "Tod am Platze" als Ausnahmefälle dokumentiert wurden. Denn der "Normalfall" ist hier rein minutenlanges sehr elendes Verbluten...

            • @KarlM:

              Ihre bürokratischen Kapriolen ändern nichts an der von mir benannten Tatsache.

               

              Logik sticht Rhetorik. Immer.

              • @Friedrich Zoller:

                Dumm nur das Sie keien Tatsachen benennen können. Die Realität entszieht sich Ihrer Beobachtung bis auf eine oberflächliche Phänomenologie.

                 

                Wenn Sie schon "Bürokratie" und Sachverhaltsbeschreibung nicht auseinanderhalten könne, oder wollen, hilft Ihnen auch keine Logik weiter.

    • @wirklich?:

      Ging mir beim Lesen auch so; Der letzte Absatz relativiert die ganze Fachidiotie dann doch etwas.

  • Ich chattete mal mit einem Saudi und meinte die Hinrichtung, das Köpfen unmöglich. Er verwies auf die USA: Die Hinzurichtenden seien langen Qualen ausgesetzt wenn die Giftspritze nicht gescheit funktioniere, da sei ein anständig scharfer Säbel - zack, Kopf ab- doch sehr human. Irgendwie, wenn es mir auch schwer fiel, musste ich ihm Recht geben (wobei er andere Saudigeschichten unterwähnt ließ). Und bei dieser Sache "Erschießungen" ist es ähnlich gelagert. Trotzdem: unmöglich, barbarisch. Aber internationale Ächtung, Fehlanzeige. Woher denn? "egal, es wird umgebracht". Vielleicht mal Putin 2 Wochen President spielen lassen, dann klappt das gaaaaaanz schnell.

  • Die USA ist KEIN Land der Menschenrechte und der Demokratie. Es ist ein Land der Barbarei. Wann kapieren das unsere Politiker endlich und handeln danach, isolieren diesen Unrechtsstaat.

  • Die USA - immer noch die mit Abstand barbarischste Gesellschaft der westlichen Welt.

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    Das nennt man dann eine "zivilisierte" Nation. Aber es gibt doch noch viel schönere Hinrichtungsarten: die Garotte etwa oder das Steinigen. Sponsoren aus der Industrie könnten die Kosten übernehmen und dürfen dafür ihr Firmenlogo im Hintergrund aufbauen. Auch Gladiatorenkämpfe sind eine gute Idee, da kann man sogar Tickets verkaufen und Wetten abschließen, auch über Facebook und Twitter. Auch kann man in Saudi Arabien oder beim Islamischen Staat um Amtshilfe und Lehrgänge im Umgang mit dem Säbel bitten. Vom Niveau her würden alle diese Ideen dem Land der Menschenrechte und Menschenwürde durchaus gerecht.

  • Na ja, man muss zu dem Unsinn der Todesstrafe an sich nicht noch weiteren Unsinn hinzufügen.

     

    Das Platzpatronenmärchen zu Beispiel, denn den Unterschied bemerkt jeder Schütze...

     

    Eine sofortige Handlungsunfähigkeit kann nur durch einen unmittelbaren Stammhirntreffer bewirkt werden, alles andere ist Folter. Herzschuss ist eine "grausame und leidensintensive Barbarei. Es gibt genügend Beispiele wo Personen mit tödlicher Herzverletzung noch minutenlang handlungsfähig blieben.

     

    Die Behauptung vom "schnellen" Tod ist terminalballistsicher Unfug, nur eine sehr schlechte Ausrede gegen jede medizinische Statistik...Dazu muss man noch nicht mal die "Wundballistik" von Kneubuehl gelesen haben.

  • diese amis. wenn sie schon ihre rachegelüste staatlich sanktioniert ausleben wollen sollen sie doch selbst einen giftcocktail zusammen brauen. lieber ergehen sie sich in alter wild west manier. schon ein sehr trauriger haufen, der da drüben das sagen hat. solche freunde braucht wircklich niemand.