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Schüler geben Rechten Kontra

An der Spandauer Martin-Buber-Oberschule diskutierten 400 Schüler mit Parteipolitikern, unter anderem der Republikaner. Die jungen Rechten mußten sich viele unbequeme Fragen gefallen lassen  ■ Von Barbara Bollwahn

„Wo sind die Reps?“ ruft Tobias und stürzt den Schulflur entlang. „Da muß ich unbedingt hin“, sagt der 17jährige. Doch Tobias wird nicht von Sympathie getrieben. „Ich will lachen“, begründet der Schüler mit dem „Kohl muß weg“-Sticker seine Neugierde. Einfach „lachhaft“ seien die Rep- Plakate und Aufkleber mit Sprüchen wie „Wenn wir kommen, fliegen andere nach Hause“. Auch der Einkaufschip „Wir machen uns stark für deutsche Waren und Arbeitsplätze“ spricht nur seine Lachmuskeln an. Wenn er schon wählen könnte, würde er den Grünen, der PDS oder der SPD seine Stimme geben. Aber keinesfalls den Reps.

Wären gestern Wahlen gewesen und die Stimmzettel in der Wahlurne an der Spandauer Martin-Buber-Oberschule (MBO) echt, die Republikaner hätten das Nachsehen gehabt. Auf dem Projekttag, bei dem neben CDU, SPD, Grünen und PDS auch die Republikaner vertreten waren, ging es anfangs zu wie auf einer Messe. Ob PDS-Kondome („In ist, wer drin ist“), das „Klassenarbeitsheft“ der CDU für Gerhard Schröder („Schröder: Du mußt mehr üben und dir mehr Mühe geben! Mangelhaft (5). Der Wähler“) oder Broschüren der Grünen — die teilweise schon wahlberechtigten 400 Schüler der Oberstufe deckten sich mit Rot, Grün und Schwarz ein. Nur die FDP fehlte — bis der Rechtsaußen Alexander von Stahl, der ehemalige Generalbundesanwalt und Bundestagskandidat, mit zweistündiger Verspätung, Bodyguard und Wahlkampfmanager eintraf und sich nach der Diskussionsgruppe mit der höchsten Teilnehmerzahl erkundigte. Schließlich mußte er mit einem spärlich besuchten Kurs über Steuerpolitik vorliebnehmen.

Das größte Interesse galt den Republikanern und ihrer Meinung zu Ausländerpolitik, Menschenrechten und plakativem Wahlkampf. Die 20jährige Nadine ließ sich nicht von den vier jungen, feschen Rep-Vertretern am Infostand einwickeln. „Die wollen uns doch nur in den Arsch kriechen“, meinte sie. Sie wollte wissen, „wie sich die Parteien präsentieren und wie sie sich später in den Diskussionsrunden geben“. Der Grund: „Das geht mir ja nicht am Arsch vorbei.“ Die 18jährige Aysin, die die türkische Staatsbürgerschaft hat, interessierte, was die Republikaner zu den „vielen illegalen Ausländern“ zu sagen haben.

Die MOB mit ihren insgesamt 930 Schülern hat einen hohen Ausländeranteil und den Ruf, „daß Ausländer bei uns nicht angemacht werden“, so der Fachbereichsleiter für Gesellschafts- und politische Weltkunde, Peter Mengel, der die Schüler wochenlang im Unterricht vorbereitet hat. So war die gestrige Wahlveranstaltung ein Experiment ohne unerwünschte Nebenwirkungen. Auf dem Schulflur stellten sich Parteien aller Couleur dar. Berührungsängste mit Rechten gab es nicht. Die Schulleitung sieht das als „Aktiv- Immunisierung“.

Während der Schulleiter einer Weddinger Berufsschule kurzfristig von der Idee Abstand genommen hatte, auch Republikaner einzuladen, ist der Direktor der MBO gelassener. Elmar Kampmann: „Die Schüler müssen lernen, sich auch mit rechtsextremen Parteien auseinanderzusetzen.“ Damit, daß die Republikaner in einem Flugblatt den Schülern suggerieren, „zweifellos wirst auch Du belogen“, kann er leben. Doch daß die Republikaner ein Martin-Buber- Zitat für ihre Zwecke gebrauchen, in dem es unter anderem heißt: „Jedes Volk hat einen natürlichen Ort und seinen Anspruch, dort zu leben“, ging Kampmann zu weit. „Wie können Sie ein Zitat so aus dem Zusammenhang reißen!“ fuhr er den 29jährigen Rep-Jugendvorsitzenden Thomas Kay an, der auf Platz vier der Landesliste für die Bundestagswahl steht und gezielt mit jungen Parteimitgliedern an Schulen geht.

In den Klassenzimmern, in denen insgesamt 19 Arbeitsgruppen über Themen wie Asyl- und Ausländerpolitik, Europapolitik, Neoliberalismus und Bildungspolitik mit Parteienvertretern und einem Lehrer diskutieren, hing ein anderes Buber-Zitat: „Gemeinschaft ist Bewältigung der Anderheit in der gelebten Einheit.“ Dem jeweiligen Thema entsprechend, standen an der Tafel die brennendsten Fragen. „Können Sie das Wort Ausländer definieren?“ hieß es in der Diskussion zum Thema Menschenrechte mit dem 22jährigen Rep-Mitglied Philipp Kalk und dem innenpolitischen Sprecher der Grünen, Wolfgang Wieland. Selbst ohne dessen rhetorische Fähigkeiten hätten die Schüler gewußt, mit Kalk umzugehen. Als er antwortete, daß „eine bestimmte Kultur“ ausschlaggebend sei und „Essen, Trinken und Schlafen“ Kultur ausmache, manövrierte er sich in die Sauerkraut-ecke, aus der er nicht wieder herauskam. Er sprach von dem „historischen Fehler der Anwerbungsverträge“ – und zog sich damit sofort den vehementen Widerspruch der deutschen und nichtdeutschen Schüler zu. „Es geht um Menschen, nicht um Maschinen“, entgegnete Gülte. Sie wollte sich von Kalk nicht sagen lassen, daß sie als Vertreterin der dritten Generation nicht integriert sei. Mit Begriffen wie „Vermanschung“ der Kulturen katapultierte sich Kalk schließlich vollends ins rechte Aus.

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