: Die Justiz kommt unter die Räder“
■ Richter und Anwälte empören sich über geplante Verlagerung des Justizressorts in die Senatskanzlei. Grüne rufen zum Widerstand auf
Die geplante Eingliederung des Justizressorts in die Senatskanzlei stößt nicht nur bei den Standesorganisationen auf Widerstand. Der Deutsche Richterbund, die Berliner Anwaltskammer und die Abgeordnetenhausfraktion von Bündnis90/Grüne forderten SPD und CDU gestern mit Nachdruck auf, das eigenständige Justizressort zu erhalten.
Montagabend hatten sich die Koalitionsunterhändler darauf geeinigt, die 250 Mitarbeiter zählende Justizhauptverwaltung der Senatskanzlei zu unterstellen. Verantwortlich ist dann der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU). Einen Justizsenator soll es nicht mehr geben.
Der Präsident der Anwaltskammer, Kay-Thomas Pohl, spricht von einem „faulen Kompromiss“, der nur aus Gründen der Koalitionsarithmetik erfolgt sei. Pohl befürchtet, dass die Justiz so „unter die Räder kommt“. Nur die Eigenständigkeit des Ressorts mit einem eigenen Senator biete die Gewähr, dass „dieser komplexe und empfindliche Bereich angemessen verwaltet und im politischen Diskurs repräsentiert“ werde.
Auch der Fraktionschef der Grünen, Wolfgang Wieland, ist der Meinung, dass die Justiz „geschwächt“ wird. Wieland schmerzt zudem, dass es künftig keinen Gegenpol mehr zu dem CDU-geführten Innenressort geben wird. „Alles wird schwarz.“ Dass ein Politiker wie Diepgen die Aufsicht über die Antikorruptionsabteilung der Staatsanwaltschaft führen soll, sei genauso so, wie wenn „Dracula Chef der Blutbank“ würde. Schließlich habe Diepgen in der Vergangenheit selbst Parteispenden in Empfang genommen. Um zu verhindern, dass sich der „Berliner Sumpf“ durchsetzt, fordert Wieland die im Justizbereich tätigen Organisationen „zum Widerstand“ auf.
Der Vorsitzende des Berliner Landesverbandes des Deutschen Richterbundes, Lothar Jünemann, spricht von einer „Geringschätzung der dritten Staatsgewalt“. Nur ein eigenständiges Justizressort dokumentiere deutlich die Trennung der politischen Verantwortlichkeiten für Exekutive und Judikative. „Diese Trennung aufzuheben offenbart ein bedenkliches rechtsstaatliches Defizit.“ Damit werde der Anschein erweckt, dass es zu verstärkter politischer Einflussnahme kommen könne.
Die Auffassung von Jünemann, dass Exekutive und Judikative vermischt werden, wird aber nicht von allen Juristen geteilt. Denn ein Justizsenator ist nicht nur für die Gerichte zuständig, sondern auch für die Staatsanwaltschaft, die Teil der Exekutive ist. Auch weil ein Justizsenator am Senatstisch sitzt, gehört er zur Exekutive. Juristen, die mit Jünemann nicht konform gehen, lehnen die Eingemeindung des Justizressorts jedoch aus anderen Gründen ab: „Diepgen wird sich nicht gebührend kümmern können“, heißt es. „Alles steht und fällt mit dem Statssekretär.“ Um das zu vermeiden, wäre eine Zusammenlegung mit einem anderen Ressort besser gewesen, ist man überzeugt. Plutonia Plarre
Bericht Seite 6
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