: Das Stehaufmännchen
■ Erneut konnte Peter Strieder eine Wahlniederlage in einen persönlichen Sieg verwandeln: Statt ins politische Aus hat er sich ins Bauressort gehievt – und die Finanzsenatorin geopfert
Er hat sie eiskalt ausgebootet. Vor ein paar Tagen noch schien es, als neige sich Peter Strieders politische Karriere womöglich dem Ende zu. Doch dann tat der SPD-Vorsitzende, was sich zuletzt kaum noch jemand vorstellen konnte: Er ließ Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing über die Klinge springen, um sich selbst in den Senat zu putschen. Zu seinem wenig einflussreichen Ressort Stadtentwicklung bekommt er die zentralen Bereiche Bauen und Verkehr hinzu: Ein Karrieresprung just für jenen SPD-Chef, der die Partei in ihre schlimmste Niederlage seit dem Krieg geführt hatte.
Bereits einmal hatte es das Stehaufmännchen Strieder vermocht, eine Wahlniederlage in einen politischen Sieg zu verwandeln. 1995 war es dem damaligen Kreuzberger Bezirksbürgermeister gelungen, seine Partei in dem Bezirk noch hinter CDU und Grünen zu platzieren. Wenig später fand er sich als Hoffnungsträger im Senat wieder – und hatte im Postengerangel seinen Parteifreund Wolfgang Nagel ausgestochen.
Mit Kompetenz hat Strieders Aufstieg nichts zu tun. Wofür der neue Supersenator politisch steht, vermag niemand zu sagen. Der Parteichef, stöhnen Genossen, sei so launisch wie autoritär. Gern kokettiert er mit seiner linken Vergangenheit, zitiert Mao oder ziert sein Amtszimmer mit einem Marx-Porträt. Gleichwohl drängte er die Partei 1995 wie 1999 zum karrierefördernden Bündnis mit der CDU.
In seiner Partei hat der 47-Jährige jetzt kaum noch Konkurrenten. Die Schuld an dem Wahldebakel hat er auf dem glücklosen Spitzenkandidaten Walter Momper abgeladen, den er ins Parlamentspräsidium abschob. Arbeitssenatorin Gabriele Schöttler ist, anders als Fugmann-Heesing, ohnehin ein politisches Leichtgewicht. Und der bisherige Fraktionschef Klaus Böger wurde nicht mit dem erhofften Großressort für Bildung bedacht. Jetzt muss er sich allein mit der Schulpolitik begnügen – und darf nun als offizieller Diepgen-Stellvertreter noch eine Weile auf die nächste SPD-Spitzenkandidatur hoffen.
Ansonsten ist die Partei nach Fugmann-Heesings Abgang erfolgreich auf biederes Mittelmaß gebracht. Weil Strieder die Genossen gewähren lässt, solange sie ihm nicht in die Quere kommen, wird sich ernsthafter Widerstand kaum regen. „Der Zustand der Partei bedingt, welche Leute aus dem Sumpf geblubbert werden“, kommentiert ein Insider Strieders neusten Karrieresprung. Im kleineren Kreis fallen auch härtere Worte.
Gewiss darf Fugmann-Heesing beim Parteitag am Montag auf Sympathien hoffen. Sozialdemokraten haben schließlich ein Faible für Opfer. Dass die Genossen das Massaker an der Parteispitze mit einem Sturz ihres letzten Hoffnungsträgers Strieder krönen, ist jedoch kaum vorstellbar.
Bei Strieders Aufstieg hat der Koalitionspartner kräftig mitgeholfen. Wochenlang hatte die Union beteuert, sie wolle das Bauressort keineswegs preisgeben. Schon wurde der bisherige CDU-Wirtschaftssenator Wolfgang Branoner für das Amt gehandelt. Als die Union aber die Gelegenheit zum Abschuss der ungeliebten Finanzsenatorin erblickte, ließ sie ihren Hoffnungsträger fallen. Sie stellte die SPD vor die Wahl, entweder die problematischen Finanzen oder das Großressort für Bauen und Stadtentwicklung zu übernehmen.
In dieser Konstellation fiel es Strieder leicht, eine Mehrheit der führenden Genossen auf seine Seite zu ziehen.
Jetzt gibt es für den machtbewussten Strieder nur noch ein einziges Ziel – bei der nächsten Berliner Wahl als Spitzenkandidat anzutreten. Dann allerdings wird er nicht mehr die Partei bezwingen müssen, sondern die Berliner Wähler. Und die könnten für derlei Brachialmethoden weniger empfänglich sein. Ralph Bollmann
Foto: [M] taz-Archiv
Bericht Seite 6, Kommentar Seite 12
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