Ein Parlamentarier gibt Feuer

Der SPD-Abgeordnete Lothar Binding überlegt, Rauchverbote in Gaststätten per Bundesgesetz doch zu erzwingen. Sein Vorwurf: Das Innenministerium stützt sich auf einen Rechtsprofessor, der schon die Tabakindustrie beraten hat

BERLIN taz ■ Der Abgeordnete Lothar Binding hat viel einstecken müssen. Erst musste sich der Sozialdemokrat aus Heidelberg mit der Union auf halbgare Kompromisse einlassen. Dann servierten Innen- und Justizministerium diesen Kompromiss ab. Beamte belehrten ihn bei einer Anhörung wie einen Schuljungen darüber, dass beim Raucherschutz die Länder zuständig seien, nicht der Bund. Jetzt feuert Binding zurück.

„Wir überlegen, ob wir den Gruppenantrag reaktivieren“, sagte Binding gestern der taz. Diese Initiative will das Rauchen in allen Gaststätten verbieten lassen – durch ein Bundesgesetz. Gruppenantrag bedeutet, dass er von Abgeordneten quer durch die Fraktionen hinweg eingebracht wird. Sowohl Unionsabgeordnete als auch Parlamentarier der Linkspartei hatten ihn unterschrieben. Deshalb ist er für die Bosse der großen Koalition ein Gräuel – und deshalb hatten sie gedrängt, dass Union und SPD einen Kompromiss suchen. Nachdem das im Fiasko endete, feilschen jetzt die Länder um eine bundeseinheitliche Regelung.

„Der Stand der Dinge ist für mich sehr unbefriedigend“, sagt Binding. Er verweist darauf, wie unterschiedlich sich die Ministerpräsidenten geäußert haben: das Saarland gegen Verbote, Bayern dafür und so weiter. „Ich glaube nicht, dass die Länder eine einheitliche Lösung hinbekommen.“ Sollte es so kommen, will Binding im Bundestag eine Abstimmung erzwingen.

Mit den Einwänden der Ministerien für Inneres und Justiz gibt er sich nicht zufrieden. Das entscheidende Gutachten des Innenministeriums greift er an. Dort wird verneint, dass der Bund Rauchverbote in Gaststätten auf seine Zuständigkeit für den Gesundheitsschutz stützen darf. In einem Schreiben an Kollegen und Bürger kritisiert Binding, die Ministerien suchten lediglich danach, was nicht gehe. Die Stellungnahme sei zweifelhaft – und sie bediene sich der Argumente der Tabakindustrie. „Es gilt auch, die Objektivität und unabhängige Entstehungsgeschichte von Kommentaren, Stellungnahmen und sogenannten Gutachten zu Verfassungsfragen in den Blick zu nehmen.“ So sei der Rechtsprofessor Fritz Ossenbühl nicht frei von Bezügen zur Tabakindustrie.

Der Staatsrechtler ist im Gutachten des Innenministeriums Kronzeuge. Auf 23 Seiten wird er 13-mal als Belegquelle genannt. Dabei war Ossenbühl Rechtsvertreter der Tabakindustrie vor dem Bundesverfassungsgericht, als diese Mitte der 90er-Jahre gegen Warnhinweise auf Zigarettenschachteln klagte.

Der Sozialdemokrat kritisiert auch seine Fraktionskollegen: Im Dezember ließ sich SPD-Fraktionsvize Joachim Poß von der Tabaklobby zum „Pfeifenraucher“ des Jahres küren, die Laudatio hielt Fraktionschef Peter Struck. Binding schreibt in seinem Brief, dies sei „ein schwer erträglicher Vorgang“. GEORG LÖWISCH

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