: Nur noch 20 Jahre Zeit
Wissenschaftler: Nur schneller Emissions-Rückgang kann Klimakatastrophe aufhalten. Kein Plädoyer für Atomkraft
VON MALTE KREUTZFELDT
Um eine unumkehrbare Klimakatastrophe zu verhindern, bleiben nur noch wenige Jahre Zeit. Zu diesem Schluss kommt der UN-Klimarat IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) in einem weiteren Teil seines Klimaberichts. Entsprechende Medienberichte wurden der taz aus Kreisen beteiligter Wissenschaftler bestätigt. Vom dem Bericht über die Konsequenzen des Klimawandels existiert bisher nur ein Entwurf; die endgültige Fassung wird im Mai vorgestellt.
„Wenn die Temperaturerhöhung auf 2 Grad begrenzt werden soll, müssen die Emissionen von Treibhausgasen spätestens in 15 bis 20 Jahren deutlich zurückgehen“, sagte Bill Hare, Gastwissenschaftler am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und Mitautor des IPCC-Berichts, zur taz. Bei einer stärkeren Temperaturerhöhung erwarten Wissenschaftler unumkehrbare Prozesse, etwa durch das Abschmelzen der Eisschilde in Grönland und die Übersäuerung der Ozeane.
Um das Ziel noch zu erreichen, müssen bis zum Jahr 2030 allein in Maßnahmen zur CO2-Reduzierung weltweit 16 Billionen Euro investiert werden, zitiert Spiegel Online aus dem Entwurf des Abschlussberichts. Ob die von der EU zugesagte CO2-Reduktion von 20 Prozent bis 2020 ausreiche, um das 2-Grad-Ziel zu erreichen, ist zweifelhaft. Hare: „Aus wissenschaftlicher Sicht würden 30 Prozent die Wahrscheinlichkeit deutlich erhöhen.“ Auf diese Zahl will sich die EU aber nur einlassen, wenn andere Staaten mitziehen, hatten die Umweltminister diese Woche beschlossen.
Bisher steigen die Emissionen hingegen weiter deutlich an. Laut IPCC lagen die mittleren jährlichen Zuwachsraten in den Jahren 2000 bis 2005 sogar höher als in den 90er-Jahren. Der weltweite Ausstoß von Treibhausgasen habe seit 1970 um mehr als 50 Prozent zugenommen; die CO2-Emissionen sind seitdem sogar um rund zwei Drittel gestiegen. Knapp 60 Prozent Anteil haben daran die Industrieländer, obwohl sie nur ein Fünftel der Weltbevölkerung stellen.
Auch wenn Kohlendioxid (CO2) die Hauptursache für den Treibhauseffekt sei, dürften andere klimaschädliche Gase wie Methan oder Lachgas nicht vergessen werden, sagte Bill Hare. „Das ist eine wichtige Botschaft aus der Wissenschaft, und es ist zu erwarten, dass sich das im IPCC-Bericht widerspiegelt.“ Methan entsteht vor allem in der Landwirtschaft bei Reisanbau und Viehzucht.
Hare wies im Gespräch mit der taz Medienberichte zurück, dass das IPCC als Abhilfe auf neue Atomkraftwerke setze. „Das IPCC gibt keine konkreten technischen Ratschläge und empfiehlt definitiv keine Atomkraft.“ Sie werde lediglich als eine diskutierte Möglichkeit im Bericht erwähnt. Auch Biokraftstoffe, neue Antriebstechnologien und veränderte landwirtschaftliche Methoden werden genannt. Auf wenig Begeisterung stoßen auch technische Möglichkeiten wie die Verdunklung der Atmosphäre mit Staub. Für solches „Geo-Engeneering“ hatten sich vor allem die USA eingesetzt.
Der dritte Teil des IPCC-Berichts ist von dem Wissenschaftlergremium kürzlich an alle Regierungen geschickt worden. Diese können ihn bis Anfang April kommentieren. Anfang Mai einigen sich die UNO-Experten dann auf eine Endfassung, die am 3. Mai in Bangkok vorgestellt wird. Bis dahin könne sich noch einiges ändern, sagte Hare: „Erst wenn sich alle geeinigt haben, stehen die Schlussfolgerungen fest.“
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