: Mehdorn deckelt jetzt von Gerkan
Landgericht gibt Bahn-Unterlassungsklage statt: Hauptbahnhof-Architekt Meinhard von Gerkan darf Bahn AG keine Schuld an Stahlträgerabsturz beim „Kyrill“-Orkan unterstellen
Im Saal 143 des Landgerichts ist es gestern nicht nur einmal laut geworden. Was darauf deuten ließ, dass sich ein paar alte Bekannte fetzten. Die Deutsche Bahn AG und Meinhard von Gerkan, Architekt des neuen Berliner Hauptbahnhofs, standen sich wegen einer Unterlassungsklage gegenüber. Für die Bahn sollte es die Revanche sein für die dicke Niederlage im November 2006, als von Gerkan den Urheberrechtsstreit gegen seinen Intimfeind Bahnchef Hartmut Mehdorn gewonnen hatte. Mehdorn hatte zu Unrecht die vom Architekten geplante Gewölbedecke im Tiefgeschoss des Hauptbahnhofs gegen eine platte Blechdecke ersetzt.
Es kam gestern zur Revanche, von Gerkan erlitt eine Schlappe. Gab doch das Landgericht der Unterlassungsklage der Bahn gegen den Architekten statt. Das Gericht sah sie als berechtigt an, wonach von Gerkan öffentliche Äußerungen zu unterlassen habe, in denen er dem Konzern eine Mitschuld am Absturz eines Stahlträgers von Bahnhofsgebäude während des Orkans „Kyrill“ im Januar 2007 unterstellte. Die Bahn hatte diese Aussagen nicht nur als falsch zurückgewiesen; sie wertete den dadurch entstandenen Imageschaden als „immens“, wie Konzernsprecher Volker Knauer beim Prozess noch einmal betonte.
Nach dem Urteil des Vorsitzenden Richters Michael Mauck darf der Architekt jetzt nicht mehr behaupten, dass die Bahn vorsätzlich auf den Einbau der von ihm geplanten Sicherungsschienen verzichtet hatte und dies den Unfall quasi mit begünstigte. In dem Urteil heißt es vielmehr, dass der Bahn die Sicherungsfunktion der Schienen nicht klar gewesen sein könne, auch weil den Halteschienen „in der Planung keine Sicherungs- oder Haltefunktion zukamen“, wie Mauck ausführte.
Zuvor hatte von Gerkans Anwalt Alexander Baden versucht, das Gericht von der Richtigkeit der Aussagen seines Mandanten zu überzeugen. Baden legte Pläne vor, die seiner Meinung nach die Sicherungsfunktion bewiesen. Die klagende Gegenseite mit Bahn-Anwalt Michael Fricke wies dies zurück und sprach gar von nachträglich gemalten Zeichnungen. Außerdem seien nie Schreiben von Gerkans bei der Bahn eingegangen, die auf die Sicherheitsrisiken bei den Trägern hingewiesen hätten. Rund eineinhalb Stunden stritten Anwälte und Richter über vertikale und horizontale „Ohrenbleche“ an Stahlträgern – und ihre jeweiligen Funktionen.
Klar, dass die Bahn das Urteil begrüßte. „Wir haben uns immer gegen vorschnelle Schuldzuweisungen verwahrt und hoffen, dass jetzt mehr Sachlichkeit einkehrt“, sagte Bahnmanager Wolf-Dieter Siebert. Was nicht zu erwarten ist: Die Wege der Bahn und die von von Gerkan werden sich wieder kreuzen, wenn das laufende Beweissicherungsverfahren klären soll, wer die Schuld an dem Träger-Unfall hatte. Es bleibt also spannend. ROLF LAUTENSCHLÄGER
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