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Genpflanzen machen reich und glücklich – im Werbespot

Die grüne Gentechnik bringt wirtschaftliche Risiken für Kleinbauern und fördert die Agrarfabriken. Versicherungen scheuen das Gentech-Geschäft

BERLIN taz ■ Die Daten kamen ausgerechnet aus den USA. Das Landwirtschaftsministerium (USDA), das nicht als Gegner der grünen Gentechnik gilt, erklärte: Amerikanische Bauern werden von genveränderten Organismen (GVO) wahrscheinlich nicht mehr ernten als im konventionellen Anbau. Auch der Verbrauch von Giften gegen Kräuter und Insekten sei nicht gesunken, so das USDA.

Die Aussage widerspricht nicht nur den Werbeslogans der Gentechkonzerne, sie verweist auch auf einen Aspekt, der in der Debatte um die Gentech auf dem Acker bisher kaum berücksichtigt wird: die ökonomischen Risiken für die Anbauer der Designerplanzen.

„Wenn die grüne Gentechnik kommt, bedeutet das erst einmal höhere Kosten für die Bauern“, sagt Georg Janßen, Bundesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. Jede Probe, ob die Ernte GVO-belastet sei, jedes Zertifikat über GVO-Freiheit, jeder Nachweis einer Verunreinigung durch die GVO-Pollen des Nachbarn kosteten extra Geld.

Wirklich teuer wird es, wenn wegen GVO-Ernten die Verarbeitungs- und Tansportwege der Ernten getrennt werden müssen: Eigene Lkws, eigene Silos, eigene Güterwaggons für GVO- und genfreie Ladungen werden den Bauern in Rechnung gestellt, befürchtet Janßen. Ein Gutachten des Fraunhofer-Instituts für Systemforschung kommt zu einem ähnlichen Schluss: Die Einführung der Gentechnik bringe einen wirtschaftlichen Nutzen „insbesondere für wachstumsorientierte Betriebe“ – also die klassische industrielle Agrarfabrik. „Bei kleinen und wachstumsschwächeren Betrieben ist eher eine Verstärkung des innersektoralen Strukturwandels und eine Abwanderung von Arbeitskräften zu befürchten.“

Auch die Einführung der Gentechnik in der Tierzucht könne die Großen begünstigen und „insgesamt zu einer Verringerung von Betrieben und Arbeitsplätzen im Agrabereich führen. Zu Deutsch: Gentechnik macht die Großen konkurrenzfähiger und drückt die Kleinen noch mehr an die Wand.

Ein weiteres wirtschaftliches Risiko ist die Frage der Haftung für mögliche Schäden durch GVO. Die Versicherungen sind sehr zurückhaltend. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hat „erhebliche Bedenken“, dass das Risiko überhaupt versicherbar ist. Schließlich decke die Haftpflichtversicherung nur unvorhergesehene Risiken. Doch Pollenflug ist für die Versicherer ein „vorhersehbares, vermeidbares“ Risiko. Für die Münchner Rückversicherung ist deshalb klar: „Die Bauern sind unserer Meinung nach das schwächste Glied der Kette. Bestehende übliche Deckungssummen für landwirtschaftliche Betriebe müssten zur Deckung von Gentechnikrisiken erhöht werden, was eine finanzielle Belastung für die Bauern bedeuten würde.“

Der Deutsche Bauernverband (DBV) sieht diese Risiken nicht. Der Bauer kaufe genauso das Saatgut und bediene die gleichen Maschinen bei GVO wie bei genfreier Produktion, erklärt ein Sprecher. Das Hauptproblem der Bauern, so der DBV, sei das Höfesterben, der Strukturwandel von vielen kleinen zu wenigen großen Betrieben. Von den derzeit noch etwa 350.000 Höfen in Deutschland werden jedes Jahr etwa 3 Prozent, über 10.000 Höfe, aufgegeben. Die bewirtschaftete Fläche, die produzierte Menge und die Preise bleiben aber etwa gleich: Immer weniger Höfe und immer weniger Bauern produzieren immer mehr.

Der Druck auf die Kleinen stellt jedoch wieder eine Verbindung zur Gentechnik her: Georg Janßen sieht eine weitere Gefahr. „Wenn sich die Kosten verschärfen und die Bauern so mit dem Rücken an der Wand stehen, kann ihnen der Handel leicht billiges Futter aus GVO-Soja anbieten. Dann ist die Versuchung sehr groß.“

BERNHARD PÖTTER

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