: Offene Liste für WASG geschlossen
Die PDS-Führung weist der WASG den aussichtslosen Landeslistenplatz 7 zu und lehnt deren Wunschkandidatin ab. Zugleich halten die Genossen am umstrittenen Kandidaten Hakki Keskin fest
VON MATTHIAS LOHRE
Die Berliner WASG stellt derzeit einen Rekord für die größte Leidensfähigkeit unter den politischen Parteien auf. Gestern demütigte die große PDS die kleine Wahlalternative ein weiteres Mal, diesmal mit der Ankündigung: Ihr dürft nur auf einem aussichtslosen Listenplatz für die Bundestagswahlen kandidieren. Und den bekommt nicht einmal eure Wunschkandidatin Renate Herranen, sondern eure Nummer zwei, Ralf Krämer.
Herranen hatte die PDS vor zwei Jahren im Streit über die vom rot-roten Senat erhöhten Kitagebühren verlassen. Bis heute nimmt sie ein Mandat in der Bezirksverordnetenversammlung Reinickendorf wahr, das sie als Listenkandidatin der PDS errang. Das nehmen ihr die Exparteifreunde übel. Denen wirft sie bei der jetzigen Entscheidung Doppelmoral vor: „Es wird mit zweierlei Maß gemessen“, sagt sie mit Blick auf Uwe Hiksch. Beim Übertritt des aus der SPD ausgetretenen Bundestagsabgeordneten in die PDS-Fraktion vor sechs Jahren habe – anders als heute – kein Genosse Bauchschmerzen verspürt.
Weniger Probleme haben Bundes- und Landesvorstand der PDS mit Ver.di-Gewerkschaftssekretär Ralf Krämer. Der 45-Jährige trat 1999 aus der SPD aus und gehörte im vergangenen Jahr zu den Gründern der hiesigen Wahlalternative. Doch letztlich wird auch eine Wahl Krämers auf Listenplatz 7 nichts an der PDS-dominierten besetzten „offenen“ Liste ändern. Mehr als fünf PDS-Mandate in Berlin hält Liebich für unwahrscheinlich.
Selbst nach der gestrigen Vorgabe der PDS-Führung will Herranen nicht aufgeben: „Natürlich trete ich weiterhin für die Listenplätze 4 und 5 an“, sagte die 50-Jährige. Sie hofft, dass die Mehrheit der Landesvertreterversammlung am Samstag anders abstimmt als vom Parteivorstand vorgegeben.
Spannend wird die Entscheidung um den aussichtsreichen vierten Platz der offenen Liste auch noch aus einem anderen Grund: Der PDS-Landesvorstand schlägt hierfür den parteilosen Chef der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Hakki Keskin, vor. Die WASG wirft dem früheren SPDler und Exmitglied der Hamburger Bürgerschaft vor, den Völkermord an den türkischen Armeniern während des Ersten Weltkriegs zu verharmlosen.
PDS-Landeschef Liebich hält an Keskin fest: Obwohl er nicht in allen Fragen PDS-Positionen vertrete, sei er ein „linker Türke“, mit dem die Partei „breite Kreise der türkischen Wählerschaft“ erreichen könne. Die WASG-Vorhaltungen wehrt er ab: „Die Vorwürfe, die im Raum herumschwirren, entbehren jeder Grundlage.“ Herranen hält dagegen: Ein Mitglied eines der hiesigen türkischen Verbände könnte die TürkInnen besser vertreten als der Import aus Hamburg.
inland SEITE 6
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen