: Von der Bestechung zur Bereicherung
Anlass für Schmiergelder an deutsche Politiker könnte auch die Profitsteigerung der Auftraggeber sein
FREIBURG taz ■ Sind die Saudis dumm? Warum zahlten sie über den Rüstungslobbyisten Karlheinz Schreiber 2 Millionen Euro an Staatssekretär Pfahls, wenn dieser gar keinen Einfluss auf das von den Saudis gewünschte Geschäft hat? Warum versuchten sie das nachrangige Regierungsmitglied Pfahls zu bestechen, wenn doch der Regierungschef Helmut Kohl schon fest entschlossen war, das Geschäft durchzuführen?
Die Aussage Kohls jedenfalls ist glaubwürdig und deckt sich mit den Einlassungen anderer Zeugen. Demnach hätten die USA nach dem irakischen Überfall auf Kuwait von Deutschland ein Zeichen der Solidarität mit den arabischen Nachbarn gefordert, dem sich die Bundesregierung nicht verweigern konnte.
Auffällig ist auch, dass die Saudis insgesamt 446 Millionen Mark für 36 Fahrzeuge investierten, die nach Angaben von Pfahls nur einen Wert von 30 Millionen Mark hatten. Da kann man einerseits sagen: Die Saudis wollten die Spürpanzer um jeden Preis. Oder aber: Hier wurde künstlich viel Geld in ein Geschäft gepumpt, damit Einzelne irregulär daran verdienen können. Und diese Einzelnen waren zwar auch Schreiber und Pfahls, aber nicht zuletzt die Auftraggeber aus Saudi-Arabien selbst. Denn nach Informationen der SZ floss ein Teil der Schmiergelder, die offiziell als „Wartungskosten“ deklariert waren, wieder in die Taschen einiger saudischer Prinzen zurück. Möglicherweise war die Zahlung sogar nur ein Tarnmanöver für diese Selbstbereicherung der Leute, die in Saudi-Arabien an den Schalthebeln saßen. Dies würde auch erklären, warum Lobbyist Schreiber seinem Bekannten Pfahls das Geld förmlich aufgedrängt hat.
Auch bei der Privatisierung der Leuna-Raffinerie und des Minol-Tankstellennetzes gab es vermutlich ähnliche Geschäfte. Der französische Mineralölkonzern Elf-Aquitaine übernahm 1992 beide Komplexe und zahlte dafür 4,3 Milliarden Mark an die Treuhand. Der deutsche Staat bezeichnete dies als gutes Geschäft, weil Elf immerhin 2.250 Arbeitsplätze garantierte – wofür allerdings auch 2 Milliarden Mark staatliche Subventionen flossen.
Allerdings gab es hier ebenfalls seltsame Geldflüsse, die niemand vernünftig erklären konnte. So erhielten die beiden Berater Dieter Holzer und Pierre Lethier rund 39 Millionen Mark Provision, ohne dass sie eine auch nur annähernd vergleichbare Leistung erbracht hatten. Deshalb kam der Verdacht auf, dass Holzer nur ein Strohmann war und mit dem Geld deutsche Parteien und Regierungsstellen schmierte, zum Beispiel um die Höhe der Subventionen in die Höhe zu treiben. Genährt wurde dieser Verdacht, als im Zuge des Regierungswechsels 1998 Unterlagen zu den Leuna-Verhandlungen und große Datenmengen in Regierungscomputern verschwanden.
Ob es sich hierbei tatsächlich um ein planmäßiges Vertuschungsmanöver der Kohl-Regierung handelte, konnte nie endgültig geklärt werden. Auch konnten konkrete Geldflüsse an deutsche Stellen nie belegt werden, obwohl es erst jüngst wieder eine Spur zum damaligen Wirtschaftsminister Jürgen Möllemann (FDP) gab.
Möglicherweise ging es deshalb auch hier gar nicht um die Bestechung deutscher Politiker, sondern um die Selbstbereicherung der Auftraggeber, in diesem Fall der maßgeblichen Elf-Manager. Dies ist schon deshalb plausibel, weil im November 2003 immerhin elf führende Manager des Konzerns, unter ihnen Alfred Sirven und Loïk Le Floch-Prigent, wegen diversen Veruntreuungen von Konzerngeldern zu teilweise mehrjährigen Haftstrafen verurteilt wurden. Holzer wurde in Frankreich zu 15 Monaten Haft und 1,5 Millionen Euro Geldstrafe wegen Beihilfe zur Untreue verurteilt, hat dagegen aber Rechtsmittel eingelegt.
Doch selbst wenn der Großteil der Holzer-„Provisionen“ an Elf-Manager zurückfloss, so ist nicht ausgeschlossen, dass andere Teile doch bei deutschen Politikern landeten, wie auch Staatssekretär Pfahls ja Saudi-Geld erhielt. Es wird allerdings immer wahrscheinlicher, dass die vermeintliche Bestechlichkeit der deutschen Politik nur ein Szenario war, mit dem gewiefte Geschäftemacher wie Karlheinz Schreiber und Dieter Holzer ihren Hintermännern im Ausland lukrative Geschäfte in die eigene Tasche ermöglichten. CHRISTIAN RATH
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