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@KURTC
Menschen mit psychischen Störungen einzustellen ist nicht unmoralisch.
Menschen einzustellen, WEIL sie psychisch erkrankt sind allerdings schon.
Und ja, das Leid eines erkrankten Menschen nur unter dem Aspekt einer Output-Optimierung zu sehen, ist zutiefst zynisch. Wenn man das konsequent weiter denkt, müsste der Arbeitgeber ja die Behandlung verhindern, weil die Gesundung die Leistung bedroht.
Ein Zwangserkrankter leistet nicht "wegen seiner Erkrankung gute Arbeit" - das ist wohlfeiles Inklusionsgeschwätz. Ein (typischer) Zwangserkrankter wird 7-10 Jahre zu spät diagnostiziert und hat nur eine mäßige Prognose, wieder gesund zu werden. Er ist nicht frei in seinen Entscheidungen sondern ein Opfer seiner Erkrankung. Er leidet darunter, jeden Tag, jede Stunde. Dieses Leid in Profit umwandeln zu wollen, ist das unmenschlichste, was ich seit langem gehört habe. Solche Prozesse aus political correctness Gründen gutzuheißen ist leider nicht viel besser.
Das ist doch nix besonderes.
Aus sozialen und pflegerischen Berufen ist längst bekannt, dass ein zu starkes Empathievermögen hinderlich sein kann. Die Fähigkeit, manchmal ein sehr bedenkliches Maß an Distanz halten zu können, ist notwendig, um Menschen zu helfen.
Das Ganze wird sowieso schon zu wenig vermittelt in unserer Gesellschaft.
Umso wichtiger ist es, dass sich die Gesellschaft bemüht, die positiven Eigenschaften von der ein oder anderen psychischen Auffälligkeit in einer Persönlichkeitsstruktur zu erkennen (völlig egal doch, ob sie wie bei Autismus angeboren ist oder erlernt wurde wie bei psychischen Störungen).
Ich habe viel gelernt bei meiner Tätigkeit mit geistig und psychisch behinderten Menschen und zwar alles wichtige für mein Leben von diesen Menschen.
Bei Buchhaltern kann tatsächlich eine zwanghafte Liebe zu Zahlen nicht schaden. Entwickelt also Therapien, bei denen sich der Mensch dennoch in allen anderen Bereichen frei fühlen kann, obwohl er diese Zwangshaltung bei seiner beruflichen Tätigkeit ausleben kann oder aber schafft gesellschaftliche Zustände, die es jedem ermöglichen in andere Berufszweige umzusteigen, wenn man bemerkt, dass die bisherige berufliche Tätigkeit zu einer psychischen Belastung führt.
@Age Krüger Man muss wirklich ganz klar trennen zwischen einem Persönlichkeitszug und einer psychischen Erkrankung (das ist ungefähr der Unterschied zwischen "ich mag kein rosa" und "ich bin farbenblind"). Leider geistern bei psychischen Erkrankungen immer noch viele Vorurteile durch die Gesellschaft ("der muss sich nur mal zusammen reißen", "ist doch alles nur Einbildung" etc.). Ein zwanghafter Mensch ist vielleicht wirklich der ordentlichere Arbeiter. Der Zwangserkrankte ist aber eine ganz andere Nummer: Ihm schadet eine solche (und sei sie noch so gut gemeinte) "Integration". Ein Kernmerkmal der Behandlung ist die Reaktionsverhinderung. Die Zwangshandlung soll gerade verhindert ("entlernt") werden, denn es lindert einen Zwang nicht, wenn man ihn "auslebt" - es macht ihn nur schlimmer, weil es ihn immer weiter zementiert und er sich auf immer mehr Lebensbereiche und -zeit ausweitet – das wird ihnen jeder Zwangserkrankte bestätigen. Das wäre ungefähr so, als würde man einem Mann mit (unbehandeltem) Beinbruch empfehlen, sich als Briefträger zu bewerben - da verhindert er zwar den ganzen Tag seine Heilung verhindert, aber wenigstens ist er schön sozial integriert.
Eventuell hat es die Frau (die mit dem langen Namen) ja im Scherz gesagt.
AnfängerInnenfehler
Passiert schon mal wenn im Gespräch mit fremden Leuten (Spiegel Interviewer) unerwartet plötzlich die Chemie stimmt, die Spannung weg ist und man dann zusammen aus Spaß ein paar bizarre Sätze entwickelt die zwar ein Körnchen Wahrheit enthalten aber eigentlich gar nicht ernst gemeit sind. Ein schräger Einfall wird dann durch den nächsten getoppt und zum Schluss müssen alle lachen.
Hinterhältig wenns dann nachher 1:1 veröffentlicht wird...
Nun... in der Politik brauchte es ja auch manche Kaputtheit, manchen Ego-Komplex, um schnell nach oben zu kommen, könnte man meinen.
Oh Aua!!!
Als jemand der lange Zeit mit Ticks zu kämpfen hatte, muss ich echt sagen, ihr habt alle ganz schön den A... offen. Wenn mir jemand gesagt hätte dein Tick kann ich gut gebrauchen wär ich ausgerastet. Psychische Erkrankungen, egal wie sehr jemand meint damit leben zu können, brauchen Behandlung und nicht Forcierung durch irgendwelche ehemaligen Psychologiestudentinnen, den ihr Studium scheinbar ziemlich wenig beigebracht hat.
"Panikattacke .."?
Wie wäre es mit einem Lockführer-Führer aus Sachsen? Der verursacht "Bahnigg-Addagge".
Ich bin mir ehrlich gesagt nicht sicher, ob der Artikel Satire ist oder nicht.
Jedenfalls funktioniert unser politisches und Wirtschaftssystem so, dass oftmals die ethisch zweifelhaften Entscheidungen diejenigen sind, die zu einem "Erfolg" führen. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist die Gesundheit der Mitarbeiter natürlich nur von Belang, insofern sie sich positiv auf die Arbeitsleistung (im Sinne der Vorgesetzten/Eigentümer) auswirkt.
Was bei Behörden aber nicht anders funktioniert, siehe
Siehe z.B. http://taz.de/Hartz-IV-Rebellin-Inge-Hannemann/!151303/
Dass das so ist, dafür kann diese kleine DB-Mangerin ziemlich wenig. Sie hat es einfach nur offen ausgesprochen.
Merke: Menschen mit psychischen Störungen einzustellen ist unmoralisch. Und das vor allem dann, wenn sie nicht nur trotz, sondern wegen ihrer Erkrankung gute Arbeit leisten. Wer krank ist, hat gefälligts am Rande der Gesellschaft zu verweilen und sich von Taz-Volontärinnen für sein hartes Los bemitleiden lassen.
@kurtc Als ehemalige Mitarbeiterin der taz kann ich bestätigen, dass man hier nicht in der Lage ist, "besondere" Menschen vernünftig zu beschäftigen. Daher rührt vielleicht das Unverständnis der jungen Autorin.
Was für ein Unsinn, ich wünsche ihnen eine/n so richtig zwanghaften, unlustigen Chef.
In diesem Bericht wird rein gar nichts gegen zwanghafte Menschen oder psychisch Kranke gesagt. Es wird einfach dargestellt wie pervertiert die Führungsriege mancher unternehmen ist.
"Es wird einfach dargestellt wie pervertiert die Führungsriege mancher unternehmen ist."
Aha. So pervertiert, das man heute sogar schon "kranke" Menschen einstellt, die man früher an den Rand der Gesellschaft gedrängt hat, wo sie keinen stören. Gut, dass diesen Skandal mal jemdand anprangert.
"Es wird einfach dargestellt wie pervertiert die Führungsriege mancher unternehmen ist."
Aha. So pervertiert, das man heute sogar schon "kranke" Menschen einstellt.
@kurtc Nein so pervertiert, dass der AG froh ist, wenn sie krank bleiben.
Eine Studie zu Einstellungen bei der Polizei legt jetzt den Abschlussbericht vor. Studienleiterin Anja Schiemann über überraschend positive Befunde – und einige Problembereiche.
Bahn-Managerin sucht Führungskräfte: Schön gestört
Eine Personalmanagerin der Deutschen Bahn findet, „zwanghafte“ Mitarbeiter seien gut fürs Unternehmen. Geht’s noch?
Job bei der Bahn gefällig? Bild: kallejipp/photocase.de
Die Personalmanagerin der Deutschen Bahn, Ursula Schütze-Kreilkamp, soll dem Spiegel zufolge auf einer Schulungskonferenz einer Schweizer Unternehmensberatung gesagt haben, dass sie für die Bereiche Finanzen und Controlling „gerne Zwanghafte“ einstelle, „gerne mit einer schönen Angststörung“, denn die seien „super pedantisch“. Außerdem könnten sie „die ganze Nacht nicht schlafen, weil die Zahlen nicht stimmen“.
Und wenn diese Mitarbeiter dann noch ethische Grundsätze einhielten, dann wären ihre Arbeitgeber – „King Louie. Sie haben immer tolle Budgets und es gibt wenig Ärger“, so zitiert der Spiegel Schütze-Kreilkamp weiter. King Louie – zur Erinnerung – ist der Affenkönig aus dem Dschungelbuch.
Ursula Schütze-Kreilkamp ist seit zwei Jahren für die Rekrutierung von Managern bei der Deutschen Bahn zuständig und Vizepräsidentin des Bundesverbandes der Personalmanager. Auf Anfrage bei der Deutschen Bahn heißt es, dass Schütze-Kreilkamp hier eine Publikumsfrage beantwortet habe. Die Antwort sei beschreibend, aber nicht wertend gewesen, näher wolle sich die Betroffene dazu nicht äußern. Auch die Bahn sehe keinen Anlass zu einer detaillierten Stellungnahme, denn es handle sich hierbei nicht um ein Rekrutierungskonzept des Unternehmens. Für die Konferenz aus dem Jahr 2013 sei sie außerdem nicht in ihrer Rolle als DB-Personalmanagerin angefragt worden.
Ein Blick in ihren Lebenslauf verrät, dass die Personalmanagerin früher unter anderem Fachärztin für Psychotherapie und psychosomatische Medizin war. Dass sie von Unternehmensberatern eine Angststörung als Wunschkriterium bei der Rekrutierung darstellt, irritiert umso mehr. Man könnte jetzt wohlwollend annehmen, sie hätte das ironisch gemeint. Oder überspitzt. Oder sie hätte eine Art Inklusionsversuch gestartet – so wie in der IT-Branche, wo gerne auf die Talente von Autisten für anspruchsvolle Programmierarbeiten zurückgegriffen wird.
Von Spinnenphobie bis Panikattacke
Der Unterschied ist allerdings, dass Autismus eine angeborene Störung ist, die nicht heilbar ist. Autisten kennen die Welt nur so. Menschen, die unter einer Angststörung leiden, kennen die Welt auch ohne Angst.
Dass Angst kein schönes Gefühl ist, das eher lähmt, als hilft, das müsste Ursula Schütze-Kreilkamp wissen. Dass Angststörung nur ein Oberbegriff ist – von einer Spinnenphobie bis zur Panikattacke, kann man alles darunter verstehen –, müsste sie auch wissen. Und dass eine Angststörung heilbar ist, müsste sie ebenfalls wissen.
Ein Personalmanagement, das auf das Fortbestehen der Erkrankung eines Mitarbeiters baut, ist alles andere als ethisch vertretbar. Es wäre ähnlich verwerflich, unfruchtbare Mitarbeiter zu suchen, Magersüchtige in Restaurants einzustellen, weil weniger Essen verschwindet, oder zu versuchen, Menschen mit Schlafstörungen für die Nachtschichten zu gewinnen.
Wie genau Schütze-Kreilkamp ihre Äußerungen gemeint hat, kann sie nur selbst beantworten. Dass sie sich dazu nicht äußern möchte und dass die Videoaufzeichnung, aus der die Zitate stammen, aus dem Netz verschwunden ist, trägt zur Klärung nicht bei.
Fakt ist, dass dem Spiegel keine falsche Zitierung vorgeworfen wird, das bestätigte die Sprecherin der Deutschen Bahn. Und selbst wenn die Suche nach psychisch Kranken zumindest bei der Deutschen Bahn nicht zur Rekrutierungspraxis gehört, wirft die Angelegenheit nicht nur ein schlechtes Licht auf Schütze-Kreilkamp, sondern stellt auch die Frage, welche Geschmacklosigkeiten auf solchen Unternehmensberaterkonferenzen sonst noch ausgetauscht werden.
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Kommentar von
Saskia Hödl
Autorin
Schreibt über Gesellschaft, Politik, Medien und manchmal über Österreich. Kolumne "Kinderspiel". War 2013 Volontärin der taz panter-Stiftung, dann taz-Redakteurin. Von 2019 bis 2022 Ressortleiterin des Gesellschafts- und Medienressorts taz zwei. Lebt und arbeitet in Wien.
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Saskia Hödl