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Die offene Rechnung des Konsuls a. D.

Der frühere Mailänder Konsul Manfred Steinkühler prozessiert gegen das Auswärtige Amt um 15.668 Mark Möbel-Lagerkosten. In Wirklichkeit geht es um den Umgang mit der NS-Zeit  ■ Von Plutonia Plarre

Berlin (taz) – Über mangelnde Privilegien können Beamte wahrlich nicht klagen. Besonders Diplomaten werden mit Sonderzulagen geradezu überhäuft. Aber manche bekommen den Hals einfach nie voll. Manfred Steinkühler, Generalkonsul a. D. in Mailand, scheint so einer zu sein. Der 67jährige große, hagere Mann befindet sich seit Juni 1991 im Ruhestand, aber er gibt keine Ruhe. Er will von seinem früheren Dienstherrn, dem Auswärtigen Amt, unbedingt noch 15.668 Mark haben. Es sind Lagerkosten für Möbel von Steinkühler.

Nachdem er in Mailand pensioniert worden war, hatte er seine Möbel zwei Jahre im Keller einer Spedition in Berlin untergestellt, denn der Pensionär suchte in der Hauptstadt eine endgültige Bleibe. Das Auswärtige Amt weigerte sich jedoch, zu zahlen. Also verklagte Steinkühler die Bundesrepublik.

In Wirklichkeit geht es dem Generalkonsul a. D. überhaupt nicht um die Lagerkosten. Er hat mit dem Auswärtigen Amt eine ganz andere Rechnung offen. Aber das erzählte er am vergangenen Donnerstag im Prozeß vor dem Berliner Verwaltungsgericht nicht. Vor seiner Versetzung in den Ruhestand war Manfred Steinkühler 30 Jahre für das Auswärtige Amt unterwegs. Bukarest, Rio de Janeiro, Rom, Bonn, Paris zählen zu den Stationen seiner Laufbahn. Ab 1987 bekleidete er den Posten des Generalkonsuls in Mailand.

Zu seinen Aufgaben als Generalkonsul gehörte es, alljährlich am Volkstrauertag auf dem deutschen Soldatenfriedhof Costermano bei Verona eine Feierstunde abzuhalten. Dort sind 21.951 Wehrmachtsangehörige begraben. Erst im Jahre 1988 wurde der Öffentlichkeit bekannt, daß dort auch drei der berüchtigsten SS-Massenmörder bestattet sind. Darunter der SS-Sturmbannführer Christian Wirth. Wirths Name steht für die Tötungsanstalt Brandenburg, Grafeneck, Hadamar, Hartheim im Rahmen der „Aktion T4“. Der Vorschlag, Gaskammern einzusetzen für die „Endlösung“, geht auf ihn zurück. Er leitete die Vernichtungslager Belzec, Sobibor und Treblinka.

Als der Generalkonsul dies erfuhr, weigerte er sich, die Feierlichkeiten auf dem Friedhof abzuhalten und blieb auch standhaft, als ihn das Auswärtige Amt explizit dazu aufforderte. Das Auswärtige Amt mache „keine Unterschiede zwischen Waffengattungen und Tätigkeiten im Kriege“, schrieb ihm sein Dienstherr. Viele italienische Politiker erklärten sich mit Steinkühler solidarisch. Anders in Deutschland. FAZ und Neue Bildpost warfen ihm vor, er habe die „Totenruhe gestört“ und das deutsch-italienische Verhältnis belastet. Es gab Serien von gehässigen Briefen aus rechtsradikalen Kreisen ins Generalkonsulat.

Das Auswärtige Amt schickte einen Inspektor nach Mailand, der Steinkühler ultimativ aufforderte, seine Haltung zu korrigieren. Doch der Konsul weigerte sich. Fortan wurde ihm das Leben in der Auslandsvertretung so schwergemacht, daß er schließlich um seine Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand bat.

Die Richter der 7. Kammer des Berliner Verwaltungsgerichts erfuhren von all dem am vergangenen Donnerstag kein Wort. Vor ihnen saß ein sehr verschlossen wirkender, vornehmer alter Herr, der mit dem Prozeßvertreter des Auswärtigen Amtes um 15.668 Mark feilschte, als müsse er davon den Rest seines Lebens bestreiten. Die Pension eines Generalkonsuls beläuft sich auf etwa 8.000 Mark. Auch die übliche Umzugsvergütung von 20.000 Mark hat Steinkühler bekommen. Die zusätzlichen Möbel-Lagerkosten wollte das Auswärtige Amt jedoch nicht zahlen: Laut Auslandsumzugskostenverordnung müsse der Beamte nachweisen, daß es nicht sein Verschulden sei, wenn er jahrelang keine „angemessene“ Wohnung findet.

Manfred Steinkühler und seine Frau bewohnen inzwischen eine Vierzimmer-Eigentumswohnung mit 140 Quadratmetern in Berlin- Schmargendorf. Er habe jahrelang vergeblich nach einer Wohnung gesucht, obwohl er 40 Makler beauftragt habe, begründete der Pensionär seine Klage auf Lagerkostenübernahme. Angebote, wie das einer Dreieinhalbzimmerwohnung mit 97 Quadratmetern habe er ausschlagen müssen, weil diese für seine umfangreiche Bibliothek und sein antikes Mobiliar zu klein gewesen sei.

Der Prozeßvertreter des Auswärtigen Amtes, Stefan aus dem Siepen, hielt Steinkühler „überzogenes Anspruchsdenken“ vor. Dieser Auffassung schloß sich auch das Gericht an, indem es die Klage des Generalkonsuls abwies. Von den wahren Beweggründen des alten Herrn erfuhren die Richter nichts – sie konnten Steinkühler kaum für etwas anderes als einen besonders raffgierigen Beamten halten.

Steinkühler will auf jeden Fall in Berufung gehen. „Den Streit habe nicht ich, sondern das Auswärtige Amt provoziert“, sagt er. „Ich wäre gern noch ein paar Jahre im Dienst geblieben. Aber eine deutsche Regierung, die so über die NS-Zeit denkt, konnte ich nicht mehr repräsentieren.“ Die weitere Geschichte gibt ihm recht. Nach dem Eklat wurde die Inschrift „SS- Sturmbannführer“ auf dem Grab des Massenmörders Christian Wirth entfernt. Jetzt steht dort nur noch sein Name.

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