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■ ÖkolumneWelche Kluft? Von Konrad Götz

Engagierte, aber politisch blockierte Politiker verschanzen sich dahinter, langzeitspezialisierte Professoren forschen über sie. Hin und her gewälzt wird sie und immer wieder ins Feld geführt. Eine These, die in der Grauzone zwischen Sozialpsychologie, Alltagsbanalität und Ratlosigkeit geboren wurde. Sie lautet: Zwischen „Umweltbewußtsein“ und „Umweltverhalten“ gebe es eine große Kluft. Diese Kluft bereite den umweltpolitischen Praktikern immer wieder das Problem, daß seine Maßnahmen erfolglos blieben – so kürzlich wieder Senator Vahrenholt aus Hamburg an dieser Stelle.

Doch allein die Fragestellung ist schon die falsche. „Umwelthandeln“ gibt es nämlich nicht. Wir fahren, wir essen, wir kaufen, wir arbeiten, wir haben Sex usw. Erst seit sich die Gesellschaft dafür sensibilisiert hat, erfahren wir täglich aufs neue, daß manche Handlung ökologischen Schaden anrichtet. Mal angenommen, wir erfahren morgen, daß Telefonieren umweltschädlich ist. Ist dann der Verzicht aufs Telefonieren plötzlich „Umwelthandeln“?

Die Umweltbewußtseinsforscher stellen aber nicht nur die falschen Fragen, sie geben auch die falschen Antworten. Die These von der Diskrepanz ist nicht haltbar. Das läßt sich ausgerechnet im Bereich Mobilität zeigen.

Das Autofahren gilt bislang als das Paradebeispiel für die Inkonsequenz umweltaufgeklärter BürgerInnen. Unser Forschungsprojekt „Mobilitätsleitbilder und Verkehrsverhalten“, in dem Methoden der Sozialwissenschaft und der Verkehrsforschung kombiniert wurden, brachte Erstaunliches zu Tage.

Erstens sind pauschale Aussagen über „das Umweltbewußtsein“ im Bevölkerungsquerschnitt vor dem Hintergrund einer nach Lebensstilen segmentierten Gesellschaft gar nicht mehr möglich. In der Stadt Freiburg konnten wir fünf ganz unterschiedliche Bevölkerungssegmente identifizieren. Dahinter verbergen sich grundsätzlich differierende Lebensstile:

– der statusorientierten Automobilen,

– der traditionell Häuslichen,

– der traditionell Naturorientierten

– der risikoorientierten Autofans und

– der ökologisch Entschiedenen.

Der zuletzt erwähnte Typus (Anteil in Freiburg 17 Prozent) würde in der konventionellen Lesart als klar „umweltbewußt“ eingestuft. Er zeigt eine große Begeisterung für das Fahrrad; Bussen und Bahnen würde er überall Vorrang einräumen. Die Frauen und Männer dieses Typs haben ein ökologisch fundiertes, kritisch- ablehnendes Verhältnis zum Auto, obwohl sie gerne fahren und technisch interessiert sind.

Die „risikoorientierten Autofans“ dagegen (Anteil 20 Prozent) bekennen sich zum Spaß am Rasen und gelegentlicher Aggression beim Autofahren. Die Straßenbahn und das Zufußgehen mögen sie nicht. Nur ein Zehntel dieser Gruppe sind Frauen, es dominieren die Fulltime-erwerbstätigen Männer mittleren Alters.

Erst nachdem diese Typologie – basierend allein auf den Orientierungen – erstellt war, wurden die Daten zum Verkehrsverhalten (konkrete Wege an Werktagen und Wochenenden) gegengerechnet. Wenn die These von der großen Kluft zwischen „Einstellung“ und „Verhalten“ stimmt, müßten die „ökologisch Entschiedenen“ kein grundsätzlich anderes Verkehrsverhalten zeigen als die „risikoorientierten Autofans“.

Aber es kam ganz anders. Die risikoorientierten Autofans wählten bei 62 Prozent aller Wege das Auto, öffentliche Verkehrsmittel aber nur bei fünf Prozent aller Fahrten (Fahrrad 14 Prozent, zu Fuß 19 Prozent). Die „ökologisch Entschiedenen“ nutzten das Fahrrad bei 31 Prozent, Busse und Bahnen bei 25 Prozent und die Füße für 29 Prozent aller Wege. Am Steuer eines Autos saßen die Frauen und Männer dieses Typs nur noch bei zehn Prozent aller Wege (als BeifahrerIn und auf dem Motorrad noch einmal fünf Prozent).

Die Hypothese einer Kluft zwischen der Orientierung und dem Verhalten kann also – ausgerechnet im Bereich Verkehr – getrost über Bord geworfen werden. Tatsächlich gibt es eine enge „Wechselbeziehung“ zwischen Handlungsorientierung und Verhalten. Besser noch, es ist gerade deswegen möglich, maßgeschneiderte Angebote, aber auch zielgerichtete Ge- und Verbote für eine sozial und ökologisch lebenswertere Stadt zu finden.

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