: Visumspflicht umzingelt
Aktionstag gegen Kindervisum: Ausländerbehörde voll, Schulen leer, Michel ganz und Innenbehörde fast umstellt ■ Von Ulrike Winkelmann und Vanessa Ogle
Die Stimung war fröhlich. Mehrere tausend AusländerInnen, alt und jung, zog es gestern nachmittag protestierend zum Hauptbahnhof und von dort aus zur Hamburger Innenbehörde. Mit ihr sollte die Wurzel des Übels und zugleich dessen einziger Doktor umzingelt werden. Denn Innensenator Hartmut Wrocklage könnte im Bundesrat noch gegen die Pflicht für MigrantInnenkinder, ein eigenes Aufenthaltsrecht und Visum zu beantragen, stimmen. Da die Polizei jedoch den Johanniswall zunächst abriegelte und damit die Demonstration verzögerte, verzichteten die Protestierenden friedlich auf die Umzingelung.
Schon am Vormittag um acht Uhr herrschte großes Gedränge in den ohnehin engen Gemächern der Ausländerbehörde: Drei Dutzend deutscher Eltern waren mit Kinderwagen und Plakaten angerückt, um im Namen der Gleichbehandlung für ihren Nachwuchs eine Aufenthaltsgenehmigung zu beantragen.
„Rechtssicherheit auch für unsere Kinder“ forderten sie, denn diese werde immerhin den geschätzten 20.000 Kindern türkischer, marockanischer, „ex“-jugoslawischer und tunesischer Herkunft in Hamburg durch die neue Visum- und Aufenthaltsgenehmigungspflicht versprochen. Vorsicht, Satire: „Um die Absurdität des geplanten Frontalangriffs auf Migrantenfamilien zu verdeutlichen“, hatte die GAL-Fraktion im Rathaus zu dieser Protestaktion aufgerufen. Nach der seit dem 15. Januar gültigen Verordnung des Bundesinnenministers Manfred Kanther sollen nur noch Kinder eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen, die in Deutschland bei beiden Eltern leben, die keine Sozialhilfe beziehen und in einer ausreichend großen Wohnung leben.
„Was ist mit den Kinder alleinerziehender Mütter?“ fragte Claudia Leitsch von der Gemeinwesenarbeit St. Pauli-Süd (GWA) den Leiter der Ausländerbehörde, Peter Dauer, nachdem er sich aus seinem Büro bequemt hatte. Der verwies auf „Einzelfallentscheidungen“: Ob Kinder bei ihren Müttern bleiben dürften, liegt demnach im Ermessen der Ausländerbehörde. Dauer riet jedoch davon ab, sich schon jetzt um eine Aufenthaltsgenehmigung zu kümmern, denn dazu sei bis zum Ende dieses Jahres Zeit, und zunächst einmal müsse die Kanther-Verordnung den Bundesrat passieren. Allerdings habe der Andrang der Eltern und Kinder, die reisen wollten oder sich hätten aufschrecken lassen, bereits „für eine erhebliche Mehrbelastung unserer Mitarbeiter“ gesorgt, sagte Dauer.
Gegen elf Uhr folgten weitere rund 200 Kinder und Erwachsene vornehmlich türkischer Herkunft einem Aufruf dem Bündnis Türkischer Einwanderer und der Zeitung Pazar Postasi und sammelten sich zwecks Protest gegen das Kindervisum an der St. Michaeliskirche. Die Spannweite der langen und kurzen Arme reichte gerade aus, um den Bau nach dem Motto „Wir gehören zu Hamburg wie der Michel“ zu umfassen.
Zur selben Zeit sammelten die GAL-Häuptlinginnen Krista Sager und Antje Radcke in der Mönckebergstraße Unterschriften gegen die Visumpflicht.
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