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„Dann holen wir die Knüppel raus“

Aufgebrachte Bergleute schütten die Bottroper CDU-Zentrale mit haufenweise Kohlen zu. Ihr Ton wird radikaler. Gewerkschaft gerät unter den Kumpeln wegen ihres lauen Kurses in die Kritik  ■ Aus Bottrop Walter Jakobs

Irgendwann gibt Udo Eisberg auf. Gegen die pfeifende, „Scheiß- CDU“ skandierende Menge kann sich der Gewerkschaftssekretär nicht durchsetzen. An diesem Morgen wollen die gut 2.000 Bergleute niemanden von der CDU hören, auch wenn Eisberg wieder und wieder erklärt, daß die Bottroper Christdemokraten immer „hinter uns Bergleuten gestanden haben“ und daß doch der „Feind in Bonn“ sitze und Rexrodt heiße.

Auf ihre Gewerkschaftsfunktionäre hören viele der aufgebrachten Kumpel längst nicht mehr. Beschwichtigende Töne sind an diesem Montag vor der Geschäftsstelle der Bottroper CDU nicht gefragt. Erst als Eisberg ankündigt, daß „die Knüppel rausgeholt werden“, wenn bei dem Gespräch zwischen Kanzler Kohl und dem Vorsitzenden der Bergarbeitergewerkschaft, Hans Berger, heute in Bonn nichts Positives rauskomme, erntet er tosenden Beifall.

Sobald nur der Name von FDP- Spitzenpolitikern fällt, brechen haßerfüllte Sprechchöre aus: „Lügner!“, „aufhängen!“ – bei vielen ist die Wut in Haß umgeschlagen. Nun wird der Eingang des CDU-Büros, dessen Fensterscheibe schon Freitag nacht eingeschlagen worden war, mit Kohle zugeschüttet, herangekarrt von zwei riesigen Dreiachsern. Die Polizei beläßt es dabei, die Kennzeichen zu notieren. Auch als die ersten Eier fliegen, hält sich die Staatsmacht zurück. Nur als einige versuchen, den Kohlehaufen in Brand zu stecken, tritt ein Polizist mit den Worten „Leute, das muß doch jetzt nicht sein!“ das Feuer aus.

Am Eingang des Büros steht Barbara Wischermann. „Im Prinzip sind wir zwar die falschen Adressaten“, sagt die CDU-Landtagsabgeordnete, aber „ich kann den Unmut der Bergleute verstehen“. Sie hofft auf neue Beratungsergebnisse in Bonn; mit dem letzten Donnerstag von Kohl präsentierten Plan, die Kohlesubventionen bis 2005 auf 3,8 Milliarden Mark herunterzufahren, sei der Schrumpfungsprozeß sozialverträglich „nicht mehr zu machen“.

Für den Betriebsrat Mirko Skela dient die Aktion vor dem CDU-Büro dazu, die Christdemokraten daran zu erinnern, „endlich zu handeln“ und sich nicht weiter der FDP in der Kohlefrage unterzuordnen. „Wir müssen viel mehr machen!“ ruft einer dazwischen. Und ein anderer will wissen, „warum wir nicht das Kamener Autobahnkreuz lahmlegen“.

Als Dieter Bonnemann, der Bottroper Sekretär der IG Bergbau und Energie, dafür wirbt, nun doch die Straßen- und Büroblockade aufzugeben und sich auf dem Gelände der Zeche Haniel zu versammeln – „denn wir haben doch viel erreicht“ –, stößt er bei einer Gruppe von etwa 300 Bergleuten auf barsche Ablehnung: „Wir bleiben hier, denn wir haben viel zu lange stillgehalten.“ Einer erinnert daran, daß der ganze Protest am Freitag auf der Gelsenkirchener Zeche Hugo/Consolidation gegen den Willen der Gewerkschaftsfunktionäre losgetreten worden sei. „Seitdem hört man uns endlich wieder!“ ruft er unter dem Applaus seiner Kumpel.

Die meisten sind inzwischen wieder in die von der Gewerkschaft gecharterten Busse gestiegen. Die Zurückgebliebenen träumen von „französischen Verhältnissen“, denn im Gegensatz zu den französischen Arbeitern „verhalten wir uns wirklich wie Schafe“.

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