■ Innenminister Kanther legt Verfassungsschutzbericht vor
: Wasserstandsmeldungen

In jedem Frühjahr veröffentlicht der Bundesinnenminister den Bericht der Kölner Verfassungsschutzbehörde. Die Länderinnenminister tun es ihm nach. Umfangreiches Zahlenmaterial wird referiert, die Angaben werden mit den Erkenntnissen des Vorjahres verglichen, das Auf und Ab der verschiedenen Organisationen und Gruppierungen im extremistischen Lager wird geprüft, gewogen und dokumentiert. Und in jedem Jahr kulminiert das Ritual in der Aussage des Bundesinnenministers: Eine akute Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung liege nicht vor – dem wachsamen Geheimdienst sei Dank. Dessen Bericht belege erneut, „daß die staatlichen Anstrengungen zur Bekämpfung und Eindämmung des politischen Extremismus nicht verzichtbar sind“.

Unstrittig ist: Man muß sich mit wachsenden extremistischen Bewegungen auseinandersetzen. Die Frage ist nur, wie und ob die Anstrengungen der Verfassungsschützer taugliche Mittel sind.

Die Verfassungsschützer wursteln weiter wie eh und je – auch siebeneinhalb Jahre nach dem Fall der Mauer. Aktualisiert werden lediglich die Feindbilder. Wo früher die Mitglieder der RAF, dann die erstarkten Neonazi-Gruppen als herausragende Gefährdungspotentiale für die Bundesrepublik herhalten mußten, heißen die Feinde heute „Islamismus“ und „türkischer Linksextremismus“. Nur, warum solche Gruppen Zulauf erhalten, das erfahren die Leser des Berichts nicht. Wer den in Deutschland geborenen Kinder der Arbeitsimmigranten die deutsche Staatsbürgerschaft und damit eine gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft verweigert, der sollte sich nicht wundern, wenn sich Jugendliche radikalen Gruppen zuwenden. Darauf hinzuweisen könnte eine vornehme Aufgabe eines Verfassungsschutzes sein.

Symptomatisch für das Verharren in altem Lagerdenken ist die Entscheidung der Verfassungsschützer, wiederum Teile der PDS als „linksextremistisch“ einzustufen. Wie schon in den 70er Jahren bei DKP und K-Gruppen wird mit dem Knüppel „verfassungsfeindliche Bestrebung“ die inhaltliche Auseinandersetzung erschlagen, wird der Verfassungsschutz als administrativer Arm der politischen Mitte gegen den unliebsamen politischen Gegner eingesetzt.

So bleibt alles beim alten – und die taz bei der Forderung, den Kölner Schlapphutladen als Anachronismus ins Haus der Geschichte zu verfrachten. Wolfgang Gast