: Untergangs-Mythos
Mikroben, Socken und Musik: Die „Expedition Titanic“ab morgen in der Speicherstadt ■ Von Jan Freitag
Willkommen an Bord. Eine kleine Stahltreppe aufwärts, und man steht zwischen originalgetreuen Koffern und den Bildern jener Menschen, die ihre klobigen Gepäckstücke einst in den Schiffsrumpf des berühmtesten Ozeanriesen aller Zeiten schleppten. So beginnt die „Expedition Titanic“in der Speicherstadt, eine Ausstellung über das größte Unglück der zivilen Schiffahrt. Schon vorab wurde diese Wanderschau über den Mythos Titanic als „Weltsensation“gepriesen. Etwas weniger pathetisch ausgedrückt: Die Ausstellung ist mindestens „beeindruckend“.
Auf zwei Etagen erwartet die BesucherInnen ein Stück See-fahrtsgeschichte, das in dieser Form noch nie zu sehen war: echte Fundstücke aus dem Wrack. 1912 war die Titanic gesunken. Erst 1985 wurde sie in 3.800 Metern Tiefe entdeckt. Zwei Jahre später gelang es Expeditionsteams aus den USA und Frankreich erstmals, Gegenstände aus dem Wrack zu bergen. Im Laufe der Zeit kamen immerhin 600 Artefakte ans Tageslicht. In London waren sie 1994 erstmals zu bewundern - 700.000 Menschen pilgerten in die Ausstellung.
Erst in Hamburg aber, schwärmt Architekt und Chefkoordinator Manfred Schulz, „werden Objekte, die vor drei Jahren einfach nur zu sehen waren, in einen Zusammenhang gebracht.“Mit enormem technischem Aufwand, das zeigen schon die ersten Schritte durch die 14 Ausstellungsräume. Untermalt von Klangcollagen aus Musik und Schiffsgeräuschen erzählt jeder Raum eine eigene Geschichte und zeigt gleichzeitig viel Menschliches: Der Rundgang gibt gleich zu Beginn einen Eindruck davon, in welcher Enge Passagiere der unteren Klassen auf der Titanic lebten, und informiert gleichzeitig darüber, daß mehr als zwei Drittel der Passagiere MigrantInnen waren, nicht stinkreiche Snobs.
Immer tiefer dringt man Raum für Raum in die Chronologie des Untergangs ein: Einer Gegenüberstellung vom Luxus der ersten zur Kargheit der dritten Klasse folgt die Dramaturgie der Katastrophe zwischen Eisbergen und sinkendem Schiffsrumpf. An die Rettung der 712 Überlebenden schließt ein blaues Unterwasserszenario an, das nicht nur die Katastrophe beleuchtet, sondern auch die Stille des Untergangs und die darin liegende Ästhetik.
Zwischen all diesem audiovisuellen Beiwerk aber fällt der Blick immer wieder auf die realen Überbleibsel. Kein Fundstück ist den OrganisatorInnen dabei zu profan für eine Ausstellung, die bis zu eine Million BesucherInnen erwartet: Socken, Wärmflaschen, Restaurantrechnungen und Küchengeräte haben ihren gleichberechtigten Platz neben Navigationsinstrumenten und einer Schiffsglocke. „Jeder Gegenstand erzählt seine Geschichte“, erklärt Manfred Schulz die Bandbreite des Gezeigten.
Und diese Geschichte wird mit allen Mitteln der Ausstellungskunst inszeniert: mit eigens komponierter Musik, mit aufwendigen Licht- und Toneffekten sowie Raumgestaltungen, die aber „immer Platz für Assoziationen lassen“.
Auf diese Weise wird der Mythos Titanic konserviert. Und so überlebt er wohl auch den völligen Niedergang der Titanic. Bis dahin ist es nämlich gar nicht mehr so lange: „In 15 Jahren haben die Tiefseemikroben alles zu einem Klumpen Schrott gemacht“, bedauert Schulz.
8. Mai bis 9.November, Kehrwieder 2-3, Speicherstadt. Tägl. 9-19 Uhr, Do. bis 22 Uhr. Ticket Hotline 0180/5671259. Erwachsene 18,- Mark, ermäßigt 12,-.
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