Perfekter Staat sucht Bürger

■ Ein reales Konsulat für ein virtuelles Land: Greenpeace vergibt Pässe des "Global State of Waveland", um diplomatisch gegen die geplante Ölsuche im Nordatlantik zu protestieren

Philosophen, Politiker und Theologen haben sich seit Jahrhunderten den Kopf über ihn zerbrochen, doch erst Greenpeace hat ihn geschaffen: den perfekten Staat. Ein Gemeinwesen, „dessen Territorium das Gewissen des Industriezeitalters ist, dessen Grenzen nur die von der Natur und von unserer Phantasie gesetzten sind und dessen Armee nur aus denjenigen Menschen besteht, die durch ihre Handlungen und Träume zu Bürgern dieses Staates werden“. Seine physische Existenz zeigt der Staat mit Namen „Waveland“ auf einem kleinen sturmumtosten Felsen im Nordatlantik – und seit Mittwoch abend in der Hannoverschen Straße in Mitte.

Im dortigen Büro der Greenpeace-Gruppe Berlin eröffneten die UmweltschützerInnen ein Konsulat des „Global State of Waveland“. Denn natürlich will jeder aufrechte Mensch Bürger eines Staates werden, der für das Gute und gegen das Böse kämpft und sich friedlich zum Schutz der Erde verpflichtet: „Ziel der Nation ist es, die Natur zu schützen, allen Wesen ihre Lebensgrundlagen zu sichern, die industrielle Wirtschaftsweise zu reformieren und den Frieden zu sichern“, heißt es in der Proklamation zur Staatsgründung. Deshalb drängelten sich im Konsulat UmweltschützerInnen in Abendgarderobe, um sich einen Paß der Freien Republik Waveland ausstellen zu lassen.

Die mediengerechte Konsulatseröffnung hat einen ernsten Hintergrund: Greenpeace-Aktivisten haben den Felsen „Rockall“ im Nordatlantik besetzt, um gegen die Ausweitung der Ölförderung im Atlantik zu demonstrieren. In dem Gebiet, dessen Besitz zwischen England, Dänemark, Island und Irland umstritten ist, soll demnächst nach Öl gesucht werden. Neben der Botschaft Wavelands in Hamburg haben in etwa 50 Städten Konsulate aufgemacht, erklärte Greenpeace-Sprecher Stefan Schurig: „Hunderte von Menschen sind inzwischen Staatsbürger des Global State of Waveland.“

Den Umweltschützern geht es nicht nur um den Schutz des Meeres vor den Ölplattformen. „Wir wollen auch zeigen, daß es eine Energiezukunft ohne Erdöl gibt“, meinte Konsul Schurig bei der Eröffnung. Bei einem möglichen Beginn der Erkundungen und Bohrungen im Gebiet von Waveland will der Staat sich zur Wehr setzen: „Wir werden unser Land verteidigen.“ In der Unabhängigkeitserklärung heißt es: „Dieses Land wird keine anderen Staaten angreifen oder usurpieren, aber, wenn erforderlich, deren BürgerInnen dazu aufrufen, zum Schutz der Erde tätig zu werden.“ Bernhard Pötter