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Fernsehkartell mit Sollbruchstellen

Medienriesen einigen sich bei Digitalsender. Kirch-Sender Pro 7 nennt Aktienpreis für Börsengang  ■ Von Lutz Meier

Berlin (taz) – Helmut Kohl hat dafür gearbeitet, Bayerns Edmund Stoiber, Nordrhein-Westfalens Wolfgang Clement und einige der mächtigsten Geschäftsbanken der Republik: Bis die in Deutschland beherrschenden Medienriesen, die Konzerne Bertelsmann und Kirch, gestern vormittag ihre Zusammenarbeit beim digitalen Zukunftsfernsehen verkündeten, wurde über Jahre hin mit einer Ausdauer verhandelt, mit einer Schärfe prozessiert, als ginge es um eine nationale Aufgabe.

Gemessen daran ist mager, was die Konzerne gestern bekanntgaben: Der bestehende Bezahlfernsehsender Premiere (1,5 Millionen Abonnenten) soll zum Kern der digitalen TV-Zukunft werden. Die beiden Konzerne wollen sich den Sender künftig je zur Hälfte teilen, Frankreichs Pay-TV Canal Plus wird dazu aus dem Gesellschafterkreis verschwinden. Premiere soll die Programmplattform werden: Über sie soll Attraktives wie Spielfilme und Fußballspiele, das bislang noch umsonst zu sehen ist, in über 50 Kanälen den zahlenden Zuschauern verkauft werden. Bei den dazu nötigen Programmrechten verfügen Kirch (Spielfilme) und Bertelsmann (Sport) zusammen nahezu über ein Monopol.

Die technische Plattform soll ein anderer Riese beherrschen: die Deutsche Telekom, die über ein Nahezu-Monopol bei den Übertragungswegen verfügt – nämlich über ihr Fernsehkabel. Kirch wird daran verdienen, weil die Telekom Lizenzen für die Zugangstechnik Irdeto anmieten muß, für die er über die deutschen Rechte verfügt. Zugleich bringt ihn die Entscheidung aus einer Milliardenbredouille, in die er sich manövrierte, als er im Vertrauen auf den Erfolg seiner Solo-Digitalpläne 800.000 Digitaldecoder mit dieser Technik angekauft hatte. Allerdings sind die Gespräche mit der Telekom, melden die Partner, noch nicht abgeschlossen.

Vor drei Jahren war eine Digital-TV-Abmachung von Bertelsmann, Kirch und Telekom an der EU-Kartellaufsicht gescheitert. Aus den Verhandlungen wurde jetzt bekannt, daß man durch die Formulierung der Festlegungen einen solchen Einspruch diesmal zu vermeiden suchen wollte. Mit der Abmachung gewinnt der TV-Magnat Kirch Atem in einer für ihn bedrohlichen Situation. Mit dem DF 1-Alleingang hatte Kirch in weniger als einem Jahr eine Dreiviertelmilliarde Mark verloren. Hinzu kommen Verpflichtungen von an die zehn Milliarden Mark, für die sich Kirch in einem beispiellosen Poker Pay-TV-Filmrechte in Hollywood gesichert hat – zu Tarifen, die bei Bertelsmann als „Mondpreise“ gelten. Nun wird der Gütersloher Konzern mit der Einigung einen Teil des Kirchschen Spekulationsrisikos übernehmen. Letzte Woche veröffentlichte das manager magazin erstmals detaillierte Zahlen über die Kirchsche Finanzsituation, die von seinen Banken stammen: Demzufolge hat Kirch über drei Milliarden Mark Schulden bei den Banken und damit seine Kreditlinien fast erreicht. Bei dem sogenannten Cash-flow, der den gesamten Kapitalfluß im Unternehmen angibt, steht ein Milliardenminus. Die Banken hatten Kirch um eine rasche Einigung mit Bertelsmann angefleht.

Völlig unklar ist, ob die jetzt bekanntgegebenen Abmachungen überhaupt funktionieren können. Schon mehrmals waren Vereinbarungen von Bertelsmann und Kirch an den Details gescheitert. Zudem gibt es zwischen den Konzernen jede Menge Sollbruchstellen, an denen die Zusammenarbeit in einer Fifty-fifty-Gesellschaft Premiere schnell wieder scheitern kann. Der digitale Bezahlfernsehmarkt gilt zwar einerseits als die Goldgrube der Zukunft, andererseits zeigen die Konzerne große Unsicherheit, wie sie den Einstieg in die Fernsehrevolution schmackhaft machen können.

Die Kirch-Gruppe wird jedenfalls den warmen Geldregen aus dem beabsichtigten Börsengang des Senders Pro 7 von Kirch-Sohn Thomas gut gebrauchen können. Gestern wurden die Preise für die Aktienemission bekanntgegeben: Die ProSieben Media AG wird Vorzugsaktien mit einer Preisspanne zwischen 66 und 72 Mark anbieten, so Vorstandschef Georg Kofler. Am 7. Juli wird die ProSieben-Aktie als erster deutscher Fernseh-Wert an der Frankfurter Börse notiert. Insgesamt sollen 17,5 Millionen Aktien unters Volk. Das würde zwischen 1,15 und 1,26 Milliarden Mark bringen.

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