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Bonner Parteien steuern gemeinsam ins Aus

■ Große Steuerreform hat keine Chancen mehr – darin sind sich alle einig. Sondersitzung des Bundestags im August. Annäherung bei Gewerbekapitalsteuer

Bonn (rtr) – Die Koalitionspläne für eine große Steuerreform sind nach monatelangen Auseinandersetzungen endgültig gescheitert. Vertreter von SPD und Koalition erklärten am Rande ihrer Steuerverhandlungen in Bonn gestern übereinstimmend, es gebe keine Chance mehr für einen Kompromiß bei den Steuergesetzen für 1998 und 1999. Union und SPD wollen ihre unterschiedlichen Konzepte nun zum Wahlkampfthema machen.

SPD-Fraktionsgeschäftsführer Peter Struck sagte, die Vorstellungen von Regierung und Opposition seien nicht miteinander zu vereinbaren. Finanzminister Theo Waigel (CSU) warf der SPD vor, sie wolle die große Reform ganz bewußt verhindern. SPD-Verhandlungsführer Henning Voscherau meinte dagegen, nachdem man sich auf den Abbau von Steuersubventionen in Höhe von 33 Milliarden Mark geeinigt habe, habe die Koalition keinen Vorschlag gemacht, wie ein darauf fußender Steuertarif aussehen könne.

Struck kündigte an, SPD und Bündnis 90/Die Grünen würden bei der Sitzung des Vermittlungsausschusses mit ihrer Mehrheit für die Aufhebung der Steuergesetze stimmen. Auf Antrag der CDU/ CSU und FDP werde dann am kommenden Dienstag um 13 Uhr eine Bundestagssitzung stattfinden, wo über das Vermittlungsergebnis beraten werde. Die Koalition will dieses Ergebnis mit ihrer Mehrheit zurückweisen. SPD- Chef Oskar Lafontaine nannte die Sondersitzung unnötig und Geldverschwendung.

Auch bei der vor allem von der SPD angestrebten Senkung der Lohnnebenkosten zeichnete sich keine Einigung ab. Der CDU-Politiker Repnik warf dem SPD-Sozialpolitiker Dreßler vor, er wolle über die Steuerverhandlungen auch die Rentenreform blockieren. Arbeitsminister Norbert Blüm sagte, er verstehe die SPD- Vorschläge nicht, da der Vorschlag der Koalition weiter reiche. Blüm will den Bundeszuschuß zur Rentenversicherung erhöhen, Dreßler versicherungsfremde Leistungen aus der Rentenversicherung herausnehmen.

Konkrete Fortschritte gab es bei den Verhandlungen über die Gewerbekapitalsteuer, deren Abschaffung CDU, CSU, FDP, SPD und Grüne übereinstimmend fordern. Laut Voscherau und Waigel einigte man sich auf eine Formulierung für die nötige Grundgesetzänderung. Bei der Frage, wie hoch der Anteil der Gemeinden an der Umsatzsteuer ausfallen soll, ist ein Kompromißwert von 2,2 Prozent im Gespräch. Unklar ist, welche Steuervergünstigungen bei den Unternehmen gestrichen werden, um die Einnahmeausfälle auszugleichen. Die Experten diskutierten über eine Mischung verschiedener Maßnahmen, darunter die Begrenzung der steuerlichen Absetzbarkeit drohender Verluste.

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