: Der wahre Widerstand, die wahre DDR
Streit um die Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin: DDR-Forscher werfen der Gedenkstätte und linksliberalen Historikern vor, sie hätten sich von der SED beeinflussen lassen ■ Von Barbara Junge
„Die Gedenkstätte Deutscher Widerstand zeigt die Regimegegnerschaft in ihrer ganzen Breite und Vielfalt“, lautet das Credo der zentralen deutschen Gedenkstätte und ihres wissenschaftlichen Leiters Peter Steinbach. „Die Gedenkstätte Deutscher Widerstand stellt ein Geschichtsbild zur Schau, das einer DDR-Geschichtsinterpretation entspricht“, behauptet Jochen Staadt, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Forschungsverbundes SED-Staat.
Ein neu entbrannter Streit über die Gedenkstätte Deutscher Widerstand läßt den Kampf um die Definition des historischen Widerstands gegen das NS-Regime wiederauferstehen. Acht Jahre nach der Auflösung der DDR kämpfen Historiker dabei ideologisch um den Umgang westlicher Wissenschaft und Politik mit der DDR. Der Konflikt jedoch ist nicht auf die Aufarbeitung des deutsch- deutschen Dialogs und die zwiespältige Rolle liberaler PolitikerInnen konzentriert, sondern spitzt sich an der Methode und dem politischen Umgang mit den SED-Akten zu. Steinbach beschuldigt seine Kontrahenten dabei jetzt der Hexenjägerei.
Der Forschungsverbund an der Freien Universität Berlin (FU) ist die zentrale deutsche Stelle zur Aufarbeitung der SED-Akten. Sie erforscht seit 1992 die Geschichte und Folgen des SED-Regimes. Mit dem neuen Angriff auf die Gedenkstätte verbinden die Historiker des Forschungsverbundes eine Abrechnung mit linksliberalen Zeitgeschichtlern der alten Bundesrepublik. In der Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament warfen im Juni Staadt und der Leiter des Forschungsverbundes, Klaus Schroeder, Historikern wie zum Beispiel Steinbach, Mommsen oder Kocka vor, „aus politischen Erwägungen ein entspannteres DDR-Bild in die bundesdeutsche Welt gesetzt“ zu haben, „als es der Wirklichkeit entsprach“. Die Historiker seien der SED „positiv aufgefallen“ und hätten sich von SED-Historikern beeinflussen lassen. Es sei zu fragen, warum „schritten so viele westdeutsche Sozialwissenschaftler und Historiker des linken Spektrums bei ihrem Blick auf die DDR so entschlossen zur Selbstamputation ihres doch an Diktaturen in aller Welt so geschulten Menschenrechts- und Unrechtsbewußtseins?“
Gegenüber der taz wirft Staadt der Gedenkstätte und den „linksliberalen Historikern“ eine „eigenartige Blindheit“ vor. Die Einbeziehung von Walter Ulbricht und Wilhelm Pieck, so Staadt, und die Vernachlässigung des DDR-Dissidenten Robert Havemann in der Widerstandsausstellung belegen die Beeinflussung durch die SED. Die Konzeption der Ausstellung hatte Peter Steinbach im Auftrag von Ex-Bundespräsident Richard von Weizsäcker übernommen.
Zirka 60.000 Besucher im Jahr sehen im Berliner Bendlerblock, dem Ort, an dem der Hitler-Attentäter Claus Graf Schenk von Stauffenberg und seine Mitverschwörer am 20. Juli 1944 erschossen wurden, Bilder und Dokumente aus dem Widerstand – dem christlichen, militärischen, konservativen, sozialdemokratischen, dem von Juden und auch aus dem kommunistischen Widerstand. Letzteres verärgert jedoch so manchen verbliebenen Kalten Krieger.
Mit Unterstützung aus CDU und CSU machte der Stauffenberg-Sohn, Franz Ludwig Graf Stauffenberg, 1994 zum 50. Jahrestag des Attentats Front gegen die Konzeption der Ausstellung, gegen die Einbeziehung des Widerstands des Nationalkomitees Freies Deutschland, einer Organisation kommunistischer deutscher Militärs in Moskau. Die Bilder von Ulbricht und Pieck in der Gedenkstätte widersprachen Stauffenbergs Bild vom deutschen Widerstand. Steinbach hatte 1994 nach wochenlangen Auseinandersetzungen mit seinem Rücktritt gedroht, die Ausstellung jedoch nicht verändert.
Jetzt wirft Steinbach dem Forschungsverbund politisch motivierte Falschbehauptung und Skandalisierung vor. „Ich fühle mich an das Diktum Hegels erinnert, der einmal gesagt hat ,Die Politik des Verdachts ist das Vorspiel des Terrors‘“, erzürnt sich der Gedenkstättenleiter, der als Professor für Politologie an der FU seit geraumer Zeit mit dem Forschungsverbund streitet. Es ginge hierbei nicht um Geschichtsaufarbeitung, sondern um die Frage: Wie hast du es mit der DDR gehalten? „Auseinandersetzung mit der Vergangenheit als Hexenjägerei zu betreiben bedeutet, genau das zu machen, was McCarthy in den USA in den 50er Jahren versucht hat.“
Für Steinbach hat der Angriff auf die Gedenkstätte Deutscher Widerstand seinen Sinn in einer größeren politischen Dimension. Mitarbeiter des Forschungsverbundes seien „mit politischen Kontroversen um Johannes Rau, um Oskar Lafontaine, um Antje Vollmer verknüpft“. Steinbach spielt damit auf CDU-Kampagnen 1994 an, als SED-Akten gegen diese Politiker verwandt wurden.
Der Hintergrund des Streits ist für Steinbach ein ideologischer. Die vom Forschungsverbund praktizierte Verknüpfung von DDR- Geschichte und NS-Vergangenheit diene der Relativierung des Nationalsozialismus: „Weil die DDR nicht dazu diente, das Dritte Reich präziser zu sehen, sondern die DDR dazu benutzt wurde, das Dritte Reich zu relativieren. Gleichermaßen wurde das Dritte Reich mit seinen einzigartigen Verbrechen dazu benutzt, die DDR mit Verbrechensdimensionen anzureichern, die nun bei aller Kritik diesen Staat nicht charaktisierten.“
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