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„Wir sind nicht gegen Flugzeuge“

Aber gegen Fluglärm. Die Bürgerinitiative B.I.G. ist mittlerweile eine Partei. Bei der Wahl am Sonntag rechnet sie in stark überflogenen Bezirken mit 16 Prozent  ■ Von Judith Weber

Ein silberner Krawattennadel-Jet nimmt Kurs auf Claus Schülkes Brusttasche und klemmt seinen Schlips ans Hemd. „Wir sind nicht gegen Flugzeuge“, sagt der Spitzenkandidat des B.I.G. Fluglärm Wahlbündnis. Nur gegen die, die in Fuhlsbüttel starten und landen; mitten in der Stadt und zum Gehörschaden von 100.000 BürgerInnen.

Deshalb, meint die Partei, muß der Flughafen raus aus Hamburg. Der Umzug des Terminals ins 25 Kilometer entfernte Kaltenkirchen ist deshalb das wichtigste Anliegen der BIG. Weniger Flieger und eine längere Nachtruhe fordert das Wahlbündnis nur für den Übergang, also für die 10 bis 20 Jahre bis zur vollständigen Verlegung des Flughafens.

Claus Schülke zupft an seiner Krawatte, der Mini-Jet gerät ins Trudeln. „In Nord und Eimsbüttel rechnen wir fest mit dem Einzug in die Bezirksversammlungen“, verkündet er. Immerhin ergab eine repräsentative Umfrage Anfang des Jahres, daß in Poppenbüttel und Hummelsbüttel 16 Prozent der AnwohnerInnen für die BIG stimmen würden.

Die AnwohnerInnen sind empört über den städtischen Beschluß, Fuhlsbüttel bis zum Jahr 2010 auszubauen. Dann wird nämlich alle 96 Sekunden zwischen 6 und 23 Uhr eine Maschine starten oder landen; 225.000 pro Jahr. Während die GAL eine Beschränkung auf die Start- und Landezahlen der 70er Jahre forderte, mag die BIG jedoch nicht schätzen, wieviel Luftverkehr erträglich wäre.

In Claus Schülkes Schreibtischfächern lagern statt dessen Argumente im Maßstab 1:100.000. Nirgendwo sonst in Deutschland, so zeigen die Landkarten, leben Menschen so nahe an Flugschneisen wie in Hamburg. Einige dieser AnwohnerInnen gründeten 1988 die „Bürger-Initiative gegen Fluglärm“, die Mutter der jetzigen BIG.

Politisch hat sich das Bündnis nicht festgelegt. Der Terminal-Umzug nach Kaltenkirchen ist eine 26 Jahre alte CDU-Forderung, WählerInnen möchte Claus Schülke aber hauptsächlich von der SPD abzwacken. „Deren Programm würden wir unterschreiben“, sagt der Anwalt. Nur in Sicherheitsfragen würde man „wohl anders handeln als der Senat“.

Hamburgs Sozialdemokraten sind gegen den Flughafen-Umzug nach Kaltenkirchen. Zwar besitzt die Stadt dort ein Grundstück, viermal so groß wie das in Fuhlsbüttel. Es müßte jedoch teuer versiegelt, dazu mit Straßen und einer S-Bahn ausgestattet werden, argumentiert die SPD. Die BIG Fluglärm rechnet anders: Die Erlöse aus dem Verkauf des Geländes in Fuhlsbüttel, glaubt sie, würden die Kosten des Ersatzflughafens übersteigen.

„Dafür“, sagt Claus Schülke und schließt das Fenster, weil es draußen so laut ist, „dafür fahre ich gern mit Auto oder Bahn nach Kaltenkirchen.“Momentan checkt er auf dem Weg in den Urlaub ab und an selbst in Fuhlsbüttel ein.

Daß die BIG mit dem Einzug in zwei Bezirksversammlungen das Düsengewitter über Hamburger Wohngebieten nicht verhindern kann, weiß auch Schülke. „Aber wir können ein Stachel im Fleisch sein. Unsere Wähler sind Menschen, denen der Flughafen sogar wichtiger ist als Arbeitslosigkeit.“

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