: Mit Rot-Grün in Hamburg steht der Lauschangriff auf der Kippe
■ Die Grundgesetzänderung zur Überwachung von Wohnungen braucht im Bundesrat eine Zweidrittelmehrheit. Rot-grüne Regierungen können sie gemeinsam mit Bremen oder Rheinland-Pfalz verhindern
Bonn (taz) – Morgen sollen in Hamburg die Koalitionsverhandlungen für ein rot- grünes Regierungsbündnis beginnen. Ebenfalls morgen berät der Bundestag in Bonn in erster Lesung den Gesetzentwurf für den umstrittenen Großen Lauschangriff. Zwischen beiden Ereignissen besteht ein enger Zusammenhang: Sollte die Koalition in der Hansestadt zustande kommen, dann wird es eng für die Befürworter der geplanten Gesetze, die zur Bekämpfung der Kriminalität die akustische Überwachung von Wohnungen erlauben wollen. Die notwendige Mehrheit im Bundesrat ist nicht mehr gesichert.
Für den Lauschangriff muß Artikel 13 des Grundgesetzes, der die Unverletzlichkeit der Wohnung garantiert, geändert werden. Das geht nur, wenn zwei Drittel der Abgeordneten des Parlaments und der Mitglieder des Bundesrates zustimmen. Im Bundestag findet sich diese Mehrheit problemlos, da sich Regierungskoalition und SPD im September auf eine gemeinsame Linie geeinigt haben. Mit Blick auf den Bundesrat aber wird jetzt scharf gerechnet.
Die Koalitionsverträge in den rot-grün regierten Ländern sehen für die Länderkammer Enthaltung vor, wenn sich die Regierungsparteien nicht auf ein gemeinsames Abstimmungsverhalten verständigen können. „Wir wünschen uns natürlich eine ebensolche Klausel“, sagte gestern Wilfried Maier von der GAL Hamburg der taz.
Für eine Zweidrittelmehrheit im Bundesrat werden 46 der insgesamt 69 Stimmen der Länderkammer gebraucht. Zusammen mit Hamburg verfügen rot-grüne Bündnisse gemeinsam über 22 Stimmen. Das allein reicht noch nicht aus, um den Großen Lauschangriff in den Papierkorb wandern zu lassen, den die Bündnisgrünen einmütig ablehnen. Aber es wird dann nur noch ein weiterer Verbündeter dafür gebraucht – und es sieht so aus, als könne der sich finden lassen.
Sowohl im sozialliberal regierten Rheinland-Pfalz als auch in Bremen, wo eine Große Koalition am Ruder ist, sitzen Gegner der Gesetzesvorhaben in Schlüsselpositionen. Bremens Bürgermeister Henning Scherf ist einer der prominentesten Kritiker des Großen Lauschangriffs in den Reihen der SPD. In Rheinland-Pfalz sind es vor allem Spitzenpolitiker der FDP, die die Gesetzesvorlage ablehnen.
In beiden Ländern wird derzeit zum Thema Bundesrat und Großer Lauschangriff beredt geschwiegen. Über das Abstimmungsverhalten werde erst unmittelbar vor der Sitzung der Länderkammer endgültig entschieden, heißt es übereinstimmend. Bei der letzten Zusammenkunft des Bundesrats hatte Rheinland- Pfalz einer Entschließung „zur Stärkung der inneren Sicherheit“ nicht zugestimmt. Bremen enthielt sich an dem Punkt, bei dem es um den Großen Lauschangriff ging. Ein Signal? Die Stimmen von auch nur einem der beiden Länder würden reichen, um den Gesetzentwurf zu kippen.
Viel wird davon abhängen, wann das Thema im Bundesrat behandelt wird. „Es ist ein Wettlauf mit der Zeit“, meint Kerstin Müller, Fraktionssprecherin der Grünen im Bundestag. Dauern Ausschußberatungen sowie zweite und dritte Lesung bis Mitte November, kommt es erst am 28. November in die Länderkammer. Dann dürfte die Koalition in Hamburg stehen. Finden dagegen Ausschußberatungen und Lesungen zeitgleich statt, wäre im Bundesrat der Termin Anfang November noch zu schaffen. Da regiert die SPD in Hamburg vermutlich noch alleine – und könnte dem Lauschangriff zustimmen. „Das Gesetz auf die schnelle einfach durchzupeitschen, wäre ja nun wirklich ein Skandal, zumal es auch innerhalb von SPD und FDP umstritten ist“, meint Kerstin Müller.
Tatsächlich regt sich neuer Widerstand. Der bayerische SPD-Landesvorstand hat den Lauschangriff jetzt abgelehnt. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat vor einigen Tagen nach einer Sitzung des Freiburger Kreises gemeinsam mit Gerhart Baum zum vorliegenden Gesetzentwurf erklärt: „Kernpunkt der Kritik ist der große Personenkreis, der abgehört werden kann, das Unterlaufen des Zeugnisverweigerungsrechts von Rechtsanwälten, Ärzten, Journalisten und des Beichtgeheimnisses, das Fehlen strikter Beweisverwertungsverbote und die nicht ausreichend gesicherte Benachrichtigung der Betroffenen.“ Bettina Gaus
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