: Der Söldner und sein Weib auf Beutejagd
Das Bild von der friedfertigen Frau ist ein Mythos, befand ein HistorikerInnencolloquium zum Thema Militär und Geschlecht an der TU. Erst durch die Wehrpflicht wurde das Militär zur Schule der Männlichkeit ■ Von Ute Scheub
Obwohl das Thema so kriegerisch war, ging es höchst friedlich zu beim Colloquium „Militär, Krieg und Geschlechterordnung im historischen Wandel“ am Wochenende in der Technischen Universität (TU). Das ist alles andere als selbstverständlich, genießt doch die Geschlechterforschung unter männlichen Wissenschaftlern immer noch nicht besonders viel Wertschätzung. Dennoch war aus Pensylvania und Basel, Tübingen und Bochum eine ungefähr gleich große Zahl männlicher und weiblicher HistorikerInnen angereist, um sich im gleichberechtigten Dialog einem Thema zu widmen, das jahrhundertelang als rein männlich galt: dem Krieg.
Zwei sehr unterschiedliche Institutionen hatten dazu eingeladen: das gerade mal ein Jahr alte, weiblich dominierte „Zentrum für interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung“ an der TU und der männlich dominierte „Arbeitskreis Militär und Gesellschaft in der Frühen Neuzeit“ von der Universität Potsdam. Die eher traditionellen Militärhistoriker mit den Frauenforscherinnen zusammenzubringen, das sei ein „Experiment“, befand Karin Hagemann vom TU-Zentrum. Die Resonanz sei indes so groß ausgefallen, daß sie aus finanziellen Gründen vielen interessierten WissenschaftlerInnen leider absagen mußte.
Eine Absage erteilte Historikerin Hagemann auch dem Mythos von der friedfertigen Frau. Daß der Krieg Männersache und der Friede Frauenaufgabe sei, hätten zwar die traditionellen Schlachtenschreiber geglaubt, aber dadurch werde es nicht wahrer. Weder die Geschlechterrollen noch das Geschlecht an sich sei etwas Natürliches. In Anlehnung an Joan W. Scott definiere sie Geschlecht als „durch Kultur und Gesellschaft produzierte Vorstellungen von den Geschlechterdifferenzen“. Dieses „Wissen“ sei somit immer relativ, und mit seiner Hilfe würden „gesellschaftliche Machtbeziehungen – Herrschaft und Unterdrückung – konzentriert“.
Entgegen gängiger Vorstellung waren die Frauen noch in der Frühen Neuzeit ein selbstverständlicher Teil des Heeres, so Hagemann weiter. Militär und Zivilgesellschaft waren im 15. und 16. Jahrhundert kaum voneinander zu trennen. Die Heere waren „bewegliche Städte“, in denen die Anzahl der Frauen und Kinder der der Söldner ungefähr gleichkam. Erst durch die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts wurde das Militär zur „Schule der Männlichkeit“.
Die in Pensylvania lehrende Kunsthistorikerin Christine Andersson hatte alte Stiche von „Beutepaaren“ mitgebracht, die im 30jährigen Krieg oder in anderen Schlachten ihr Glück suchten: der Koch und die Köchin, der Schuhmacher und die Schusterdirne. Die Söldner hätten mit ihren Frauen ein „effektives Beute- und Produktionspaar“ gebildet, so Jutta Nowosadtko von der Universität Essen: „Die Frauen schleppten ihren Männern das gemeinsame Hab und Gut nach, kochten, wuschen, nähten, zogen die Kinder auf und betätigten sich in der Krankenpflege. Sie halfen ihnen beim Beutemachen und bei der Ausplünderung der Toten und wurden zu Schandarbeiten und zur Reinigung der Feldlager herangezogen.
Frauen seien Vergewaltigungs- und Kriegsopfer gewesen, aber auch zivile Widerständlerinnen oder Mittäterinnen, darin war sich die Runde ziemlich einig. Wahrscheinlich waren diese Rollen nicht einmal exakt zu trennen: Wenn Haus und Hof im Krieg zerstört waren, sei vielen Bäuerinnen nichts anderes mehr übriggeblieben, als sich „mit ihren Schändern zusammenzuraufen“ und als „Lagerdirnen“ zu dienen, referierte Kunsthistorikerin Andersson. Solche bei Plünderungen mitziehenden Frauen wurden nun ihrerseits zu den „Feindinnen der Dorffrauen“, meinte die Bochumer Historikerin Regina Schulte.
Als Ende des 17. Jahrhunderts die soldatischen Haufen zu stehenden Heeren wurden, kam das Ende des „Beutepaars“: die Mitversorgung der Soldatenfrauen kostete zuviel. Eheverbote wurden ausgesprochen. In Potsdam oder in der Festung Glücksstadt sei nur noch „gut ein Drittel der Soldaten verheiratet“ gewesen, referierte Jutta Nowosadtko. Die Folge in den Worten eines Geschichtsschreibers: „Die preußische Reinlichkeit“ hörte auf, allerlei Ungeziefer stellte sich ein.
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