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Extrawürste für blöde Frauen?

Arbeitsämter sollen ab Januar Hauptamtliche für Frauenbelange einstellen. Gesetzesänderungen verschlechtern aber gerade die Lage der Arbeitssuchenden  ■ Aus Köln Leonie von Manteuffel

In diesen Tagen greifen Deutschlands Arbeitsamtdirektoren zum Messer: „Aus dem vorhandenen Personalkörper“ sind Beauftragte für Frauenbelange „zu schneiden“, heißt es im Behördenjargon. Nach geglückter Operation wird sich ab Januar in allen 181 Arbeitsämtern eine Vollzeitkraft der „gleichberechtigten Teilhabe von Frauen am Arbeitsmarkt“ widmen.

„Unternehmen, die wettbewerbsfähig bleiben wollen, können in Zukunft auf das Qualifikationspotential von Frauen nicht mehr verzichten“, mahnte unlängst Bernhard Jagoda, Präsident der Bundesanstalt für Arbeit (BA). Diese Erkenntnis werden künftig „hauptamtliche Beauftragte für Frauenbelange“ der Arbeitsämter bei den Personalverantwortlichen in Wirtschaft und Verwaltung stärker zu verankern suchen. Die Beauftragten unterstützen Unternehmen und Gewerkschaften, Verbände und Gleichstellungsstellen in „übergeordneten Fragen der Frauenförderung“, wie Paragraph 397 des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes (AFRG) ausführt.

Die Hauptamtlichkeit beendet den oft mühseligen Spagat für diejenigen, die in den Ämtern bisher nebenamtlich mit der zunehmend anspruchsvolleren Aufgabe betraut waren. Frauenbeauftragte veranstalten heute zum Beispiel Infomärkte, ersinnen Bildungsmaßnahmen für Frauen, halten Fachvorträge und streiten bei Podiumsdiskussionen mit. Drei Seiten lang ist der Aufgabenkatalog für die neuen Stabsstellen. Schwerpunktbildungen „entsprechend der regionalen Erfordernisse“ werden empfohlen.

Für Kölns Arbeitsamtschef Karl Peter Fuß heißt das zum Beispiel, Berufsrückkehrerinnen Nischen beim Einzelhandel anzubieten: nachmittags fehlt es dort an Arbeitskräften. Als zweiten Punkt hat sich der Direktor das Stichwort Arbeitszeitflexibilität angestrichen. Einen größeren Arbeitgeber dafür zu gewinnen, mit einer Gruppe von vielleicht zehn Frauen einmal einen Modellversuch mit Arbeitszeitkonten zu starten, wäre ein lohnendes Unterfangen.

Auf die Frage nach Erwartungen an die neuen Beauftragten reagiert die Sozialberaterin eines Frauen-Arbeitslosenzentrums empört: „Was nützt die beste Frauenbeauftragte, wenn sich die Gesetze derart verschärfen?“ fragt sie. Zeiten des Mutterschafts- und Erziehungsurlaubs können beispielsweise ab 1998 nicht mehr mit zu einem Anspruch auf Arbeitslosengeld oder -hilfe beitragen. Ein weiterer Kritikpunkt ist, daß der voraussichtliche „Eingliederungserfolg“ jetzt ein viel gewichtigeres Kriterium dafür wurde, ob eine Weiterbildung vom Amt finanziell gefördert wird. Da „die Eingliederungschancen von Frauen häufig schlechter sind als von Männern, ist zu befürchten, daß Frauen in diesen Fällen zurückstehen müssen“, warnte Ute Tischer vom Frauenreferat der Bundesanstalt für Arbeit. Ohnehin wurden Fortbildung und Umschulung im BA- Etat in den letzten vier Jahren um rund 20 Prozent, allgemeine Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen um 15 Prozent zurückgefahren.

Ulrike Wenner, Referatsleiterin Frauenbelange im Landesarbeitsamt Nordrhein-Westfalen, verfällt trotzdem nicht der Resignation. Die breite Palette an Informations- und Öffentichkeitsarbeit der Frauenbeauftragten habe nach dem Motto „Steter Tropfen höhlt den Stein“ das Bewußtsein für Anliegen der Frauenförderung verbessert. Auch hält es Wenner gerade angesichts verknappter Mittel und verschärfter Regelungen für wichtig, in den Ämtern als eine Art „Lenor-Gewissen der Frauenförderung“ immer wieder die konkrete Umsetzung der Frauenförderung einzufordern. Auf einem Seminar machen nebenamtliche Beauftragte deutlich, wie zäh sich dieses interne Geschäft gestalten kann. Das Gesetz verlangt, die Beauftragten „bei der frauengerechten fachlichen Aufgabenerledigung ihrer Dienststellen zu beteiligen“. Doch gleichzeitig haben die Frauen nach wie vor keine Weisungskompetenzen, sie können nur Vorschläge unterbreiten. „Jetzt kommst du wieder mit deinen blöden Frauen“, wird als eher scherzhafte Version von amtsinternen Widerständen berichtet. Manche Kollegen werden anscheinend nicht müde, Kurse für Berufsrückkehrerinnen als „Extrawürste“ zu bequengeln. Aufstöhnen der SeminarteilnehmerInnen auch beim Stichwort „Führungskräftebesprechungen“: Direktoren und Abteilungsleiter bleiben da oft lieber unter sich. „Ich habe große Bedenken, daß jetzt die Stelle geschaffen wurde und alle anderen sich deshalb zurücklehnen und sagen ,Du machst das prima‘“, sorgt sich eine Dienststellenleiterin.

Ein Trostpflaster hält die Bundesanstalt für alle Kritiker bereit: Auf die Dauer werde die Frauenbeauftragte mit ihrer Fachkompetenz die Abteilungen entlasten und Synergieffekte bewirken, stellte Ute Tischer vom Frauenreferat in Aussicht.

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