: Große Bonner Koalition auf gemeinsamem Kosovo-Kurs
■ Verteidigungsminister Volker Rühe und SPD-Spitze befürworten einen Nato-Einsatz im Kosovo auch ohne UN-Beschluß. Heute beginnt Luftmanöver der Nato an Jugoslawiens Grenzen. Rund 50.000 Kosovo-Albaner auf der Flucht
Berlin (taz) – Im Konflikt um den Kosovo zeichnet sich in Bonn eine Große Koalition ab. Nachdem zuvor der SPD-Kanzlerkandidat Gerhard Schröder und SPD- Fraktionschef Rudolf Scharping ein militärisches Eingreifen der Nato auch ohne Mandat der UNO befürwortet hatten, schwenkte gestern auch Bundesverteidigungsminister Volker Rühe (CDU) auf diese Linie ein.
„Sicher wäre für ein aktives Eingreifen der Nato ein Mandat des UN-Sicherheitsrates ideal. Aber wir müssen natürlich den Fall vor Augen haben, daß ein solches Mandat nicht so schnell zustandekommt“, sagte er der Bild-Zeitung. Damit gerät Außenminister Klaus Kinkel mit seiner bisherigen Haltung zunehmend in die Isolation. Kinkel hatte ein Eingreifen ohne vorherige Zustimmung der UNO abgelehnt. Rühe äußerte die Erwartung, daß sich Kinkel „diesem breiten Konsens nicht verschließen wird“. Auch US-Außenministerin Albright erklärte am Wochenende, eine UN-Resolution sei zwar wünschenswert, aber nicht nötig.
Zur Warnung an die jugoslawische Seite werden am heutigen Montag bereits Nato-Flugzeuge, darunter auch acht Tornados der Bundeswehr, über dem Kosovo und Makedonien ein Mannöver abhalten. Nato-Generalsekretär Javier Solanas warnte Jugoslawien gestern, die Präsenz der Nato-Kräfte ernst zu nehmen. Der Einsatz der Bundeswehrmaschinen wurde von den Grünen heftig kritisiert. Die Bundestagsabgeordneten Angelika Beer und Helmut Lippelt erklärten gestern, vor dem Manöver müsse die Zustimmung des Bundestages eingeholt werden. Sie verlangten von Rühe, die Teilnahme der Tornados auszusetzen und zunächst den Bundestag zu informieren.
Parallel zum Luftmanöver unter dem Code „Entschlossener Falke“ wird morgen in Moskau Rußlands Präsident Boris Jelzin mit seinem jugoslawischen Kollegen Slobodan Milošević zusammenkommen, um eine Beilegung des Kosovo-Konflikts zu erreichen. Rußland lehnt ein Eingreifen der Nato bislang ab.
Mit dem heutigen Manöver will die Nato nach Angaben ihres Generalsekretärs Solana zeigen, daß sie zu einem raschen Eingreifen in der Lage ist. Ziel sei es, die Unterdrückung und Vertreibung der Albaner durch die Serben zu beenden und die Grundlage für Verhandlungen zu schaffen. Keinesfalls werde die Nato zusehen, wenn sich im Kosovo die Lage wie 1991 in Bosnien entwickle. Bei der Übung sollen Kampfflugzeuge, Aufklärer, Tankflugzeuge und Hubschrauber von Italien aus zum Einsatz kommen. Wie die Bundesrepublik wollen auch die USA, Belgien, Spanien, die Niederlande und Dänemark sich daran beteiligen.
Nach UNO-Schätzungen sind bislang etwa 13.000 Flüchtlinge aus dem umkämpften Kosovo nach Albanien gekommen. Rund 35.000 Menschen, die aus ihren Dörfern vertrieben worden seien, befänden sich noch dort. Unterdessen sollen serbische Militär- und Polizeieinheiten nach Informationen der Demokratischen Liga des Kosovo in Priština auch gestern albanische Dörfer angegriffen haben. sev
Berichte Seiten 2 und 11, Kommentar Seite 12
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