Mutig einseitig

■ Ende der Sechziger vereinten sich bei Opel Streikende mit linken Studenten. Kanal 4 blickt zurück ("Jeder Schritt zählt", 0.15 Uhr, Sat.1)

Ein Jost Stollmann hätte bei Opel Bochum keine Chance gehabt. Auf einen Betriebsrat zu verzichten, nur weil der Chef sagt, er wisse am besten, was seine Leute brauchen, wäre den Autobauern nie in den Sinn gekommen. Dabei hatten sie schon Ende der sechziger Jahre gemerkt, daß der Gewerkschaftsapparat mit seinen Funktionärsstrukturen Rost angesetzt hatte und Tarifverhandlungen zu Ritualen erstarrt waren.

Die Kritik kam von unten – und von links: Sie stellte nicht die Mitbestimmung in Frage, sondern die Machtverhältnisse, und das interessierte auch marxistisch inspirierte Jungakademiker. Als die Autobauer wilde Streiks ausriefen, die sich gegen die bescheidenen Lohnforderungen der IG Metall wie auch die Profitorientierung der Konzerne richteten, lockten sie politisierte Studenten wie Wolfgang Schaumberg vom Sozialistischen Studentenbund der Ruhr-Uni an, denen es nicht reichte, „an der Uni Putz zu machen“. 1972 schlossen sie sich mit den Streikenden zur „Gruppe Oppositioneller Gewerkschafter“ (GOG) zusammen.

25 Jahre später zeichnet der Filmemacher Ulli Wendelmann nach, wie sich die GOG eine starke Position in der Belegschaft eroberte, indem sie Kungeleien zwischen Betriebsrat, Gewerkschaft und Management aufdeckte. Er zeigt, wie sich das Verhältnis zwischen der selbsternannten „revolutionären Avantgarde“ und den Arbeitern entwickelte. „Ich wußte erst gar nicht, was die wollten“, erinnert sich Autobauer Uwe Lübcke heute.

Die Revolution bei Opel kam – aber nicht von unten, sondern vom Vorstand, der durch Automatisierung die Arbeitsabläufe verdichtete. Die wachsende Zahl der Arbeitslosen kam diesen Plänen zupaß. Zugleich bekam Opel die Abhängigkeit vom US-amerikanischen Mutterkonzern General Motors zu spüren.

Mit dem wachsenden sozialen Druck, der das Interesse für Kapitalismuskritik spürbar dämpfte, verloren die Ex-APO-Leute das Interesse an der Arbeiterschaft. Friedens- und Antiatombewegung waren spannender. Die Regisseurin Christa Donner, die einst ihren Diplomfilm „Sozialpartner – Sozialfeind“ dem Kampf der Bochumer gewidmet hatte, nahm schon im nächsten Werk wieder Abschied von ihnen. Ehe sie andere aktivieren könne, müsse sie erst einmal „mich selbst finden“.

Schaumberg dagegen ist geblieben. Er hat heute noch eins der letzten beiden GOG-Mandate im Betriebsrat inne, und will damit der Politik der Sozialpartnerschaft Paroli bieten. Sein Hauptinteresse gilt den Kontakten zu den anderen europäischen Belegschaften. Er will verhindern, daß das Management sie gegeneinander ausspielt. Und auch Lübcke, der anfangs so skeptisch war, ist immer noch dabei. Er wolle sich nicht von seinem Sohn vorwerfen lassen müssen, er habe nicht für seine Interessen gekämpft.

Ulli Wendelmann verknüpft geschickt rückblickende Interviewstatements der GOG-Aktivisten mit Sequenzen aus dem heutigen Produktionsablauf und Bilder vom Arbeitsalltag, dem Streik und den Demos von „damals“ zu einer dichtgedrängten Dokumentation. Dabei verzichtet der Autor auf die üblichen Befragungsschnipsel von allen Seiten – er bleibt bei der internen Perspektive. Es ist diese Einseitigkeit, die die Dokumentation zu einem außergewöhnlichen Dokument macht. Beate Willms