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Die Kosovaren retten – Aber wie?

■ In der Debatte um Kampfeinsätze in Bosnien waren die Bremer Grünen in der Bundespartei vorne. Jetzt zetteln sie die Debatte über ein militärisches Eingreifen im Kosovo an

Eine Wahlkampfveranstaltung sollte es nicht sein, am Montag abend im vollbesetzten Saal der Galerie Rabus. Schließlich hatte nicht die grüne Partei zur Diskussion über den Kosovo-Konflikt geladen, sondern die Grünen-nahe Heinrich-Böll-Stiftung.

„An der Außenpolitik zeigt sich die Politikfähigkeit“, sagte der grüne Europaabgeordnete Daniel Cohn-Bendit. Schließlich wolle Joschka Fischer nach der Bundestagswahl Außenminister werden. „Da muß man sagen, was man im Kosovo anders machen will. Sonst kann Kinkel weiter regieren“.

In der Debatte ging es allein um die Frage, unter welchen politischen Vorzeichen eine Militärintervention zur Rettung der geknechteten Zivilbevölkerung im Kosovo machbar wäre. Die radikal-pazifistische Variante war auf einem Podium nicht zu erwarten. Da saßen als Moderator Stiftungs-Chef und Bremer Ex-Senator Ralf Fücks, Cohn-Bendit, die für Bosnien engagierte Bundestagsabgeordnete Marieluise Beck, der Wissenschaftler Stefan Troebst und der Balkan-Korrespondent der taz, Erich Rathfelder. Aber auch aus dem Publikum waren keine grundsätzlichen Einwände gegen einen Militäreinsatz zu hören.

Rathfelder, der im August nach Berichten über Massengräber von den serbischen Behörden aus dem Kosovo ausgewiesen worden war, plädierte leidenschaftlich für ein schnelles Eingreifen der Nato. „Was passiert beim Wintereinbruch mit den Leuten, die in den Wäldern sind?“ Auf die Uno könne man nicht bauen. Troebst berichtete, nach neuesten Schätzungen seien von den zwei Millionen Einwohnern des Kosovo 200.000 im Land selbst auf der Flucht, 50.000 obdachlos, 80.000 hätten sich in die Nachbarläner geflüchtet.

„Die Katastrophe ist am Rollen“, stellte Marieluise Beck fest. Der hierzulande meist genutzte Ausdruck vom „Krisenherd Kosovo“ verschleiere die Realität. Wie in Bosnien müsse man genau hinsehen und zwischen Tätern und Opfern unterscheiden, auch wenn mögliche Konsequenzen jahrelang gewachsene Identitäten als Linke erschütterten.

Cohn-Bendit entpuppte sich dann als knallharter Realpolitiker. Es sei verlogen von Außenminister Kinkel und Verteidigungsminister Rühe, mit einer Militärintervention der Nato ohne ein Mandat der Uno zu drohen, weil sie wüßten, daß etwa die EU oder die Franzosen ein solches OK für die Nato allein niemals geben werden. Wer das befürworte, überlasse künftig den Amerikanern die alleinige Entscheidung, was wo passiert, sagte Cohn-Bendit. „Das ist aberwitzig“.

Die Frage sei vielmehr: „Wie kriege ich ein Uno-Mandat hin für ein Eingreifen im Kosovo.“ Der Schlüssel liege im Kreml, so Cohn-Bendit. Der Westen müsse endlich beginnen, Druck auf Rußland und China auszuüben, im Weltsicherheitsrat für ein Eingreifen der Nato im Kosovo zu stimmen. Beck pflichtete bei. Gleichzeitig müsse Serbiens starker Mann Milosevic in die Defensive gedrängt werden, indem Hilfs-Güter bis an die Grenzen des Kosovo geschickt werden.

Über eine mögliche Zukunft des Kosovo nach einer Intervention herrschte weniger Einigkeit als über die Frage der Legitimation für eine Intervention. Die Frage, ob der Kosovo unabhängig werden oder als autonome dritte Republik im Bundesstaat Jugoslawien (neben Serbien und Mazedonien) bleiben solle, blieb ungeklärt. Zumindest als Verhandlungsposition solle man die Unabhängigkeit nicht ausschließen umd Raum für Kompromisse haben, forderten manche. Eine unannehmbare Forderung an Serbien schmälere die Chance, den Konflikt zu entschärfen, argumentierten andere. „Das ist alles nicht sehr hoffnungsvoll“, stellte Rathfelder fest. Niemand widersprach ihm. Joachim Fahrun

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