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Freispruch für Polizisten

■ Bundesgerichtshof hebt Geldstrafen wegen Mißhandlung eines Journalisten auf

Freiburg (taz) – Mit einem Freispruch durch den Bundesgerichtshof (BGH) endete das Verfahren gegen zwei Hamburger Polizeibeamte, die den Journalisten Oliver Neß vor vier Jahren übel mißhandelt hatten. Das Landgericht Hamburg hatte die beiden Polizisten noch zu einer Geldstrafe verurteilt. Der 5. Strafsenat des BGH in Leipzig monierte jetzt die „nicht tragfähige Beweiswürdigung“ des Landgerichts und eine Verfahrensverschleppung durch die Hamburger Staatsanwaltschaft.

Der umstrittene Vorfall geschah im Mai 1994 auf dem Hamburger Gänsemarkt am Rande einer Wahlveranstaltung des Bundes freier Bürger. Es sprach der österreichische Rechtspopulist Jörg Haider, am Rande einer nicht ganz friedlichen Gegendemonstration stand – friedlich – der Rundfunkjournalist Oliver Neß. Doch plötzlich lag er am Boden, umringt von Polizisten. Ein Beamter kniete auf seinem Brustkorb, ein anderer streifte ihm den Schuh ab, riß den Fuß mehrfach hin und her, und Ness erlitt einen doppelten Bänderriß.

Der Fall machte aus zwei Gründen Furore. Zum einen waren der Hamburger Polizei in dieser Zeit zahlreiche Mißhandlungen nachgesagt worden, doch kein Fall war mit Filmaufnahmen und Pressefotos so lückenlos dokumentiert wie dieser. Zum anderen war Oliver Neß nicht irgendein Journalist, sondern hatte sich mit seinen kritischen Reportagen über eine Hamburger Einsatztruppe bereits den Unmut der Polizeiführung zugezogen. Der Gedanke an einen gezielten Racheakt lag also nahe.

Doch ein Komplott wurde schon vom Hamburger Landgericht verneint. Geahndet wurde nur der unverhältnismäßige Polizeieinsatz mit Geldstrafen in Höhe 3.200 bzw. 4.800 Mark.

Jetzt hat der BGH das Hamburger Urteil aufgehoben und die beiden Polizisten freigesprochen. Zur Begründung hieß es, das Ergreifen von Neß sei im allgemeinen Tumult nicht unbedingt rechtswidrig gewesen. Auch die „übermäßig grobe Anwendung eines Polizeigriffs“ am Fuß von Oliver Neß sei angesichts der Streßsituation aller Beteiligten wohl nicht fahrlässig gewesen. Für ein Urteil „im Zweifel für die Angeklagten“ sprach nach Ansicht des BGH auch die lange Prozeßdauer. Bei der Hamburger Staatsanwaltschaft lagen die Revisionsakten fast zwei Jahre. Ein gezielte Provokation zugunsten der Angeklagten mochte der BGH der Hamburger Behörde nicht unterstellen. Martin Lemke, der Anwalt von Oliver Neß, kommentierte trocken: „Es waren halt Polizisten.“ Überraschend kam das Urteil nicht, nachdem der BGH schon im Juli eine Einstellung des Verfahrens angeregt hatte. Christian Rath

(Az.: 5 StR 239/98)

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