Kommentar: Mythos Leistung
■ Gilt die Frauenquote bei den Bündnisgrünen noch?
Das Patriarchat hat viele Mythen. Ein Satz aus der modernen Märchenschmiede lautet: Leistung setzt sich durch – unabhängig vom Geschlecht. Nehmen wir doch einmal die Grünen. Sie haben das Frauenproblem früh als ein auch strukturelles erkannt und in logischer Konsequenz die Quote eingeführt. Ein Essential grüner Politik.
Anfangs tummelten sich auch bei den Grünen die sogenannten Frauen-Frauen. Ihr Thema: die Diskriminierung und Unterprivilegierung des „anderen Geschlechts“. Ihr Spezialgebiet: Opfer- und Unterdrückungsfragen. Doch diese Sorte Expertinnen geriet sehr rasch in die Minderheit. Wer will schon das ewige Lied des Leidens singen (oder hören)? Profilierung in Sachfragen war angesagt. Grüne Politikerinnen besetzten die harten Politikfelder. Kompetenz und Können statt Quote. Das Frauenticket geriet zunehmend zur peinlichen Nummer, wer ernst genommen werden wollte, belastete sich und seine Arbeit nicht mit Geschlechterfragen. Die Machtfrage wurde über Inhalte und nicht über das Metathema Emanzipation ausgetragen, und das Vertrauen der Frauen war groß, damit einen entscheidenden Schritt in Richtung Gleichberechtigung getan zu haben.
Jetzt geht es um die Macht im Staat – und prompt entpuppt sich das Zutrauen zunehmend als Blauäugigkeit. Können hin, Kompetenz her – die Männer haben Vorfahrt. Die Partei befriedigt pflichtschuldigst zuerst die Eitelkeiten eines Joschka Fischer und eines Jürgen Trittin. Ihnen werden vor allen anderen zwei Ministerien gesichert. Harte Ressorts. Das erste grüne Essential, das gekippt wird.
Die grünen Frauen dürfen sich nun um die übriggebliebenen Brocken streiten – wobei kaum zwei weitere Ministerien herausspringen werden. Was aber viel schlimmer ist: Frauen müssen offenbar wieder das tun, worüber sie sich längst erhaben fühlten. Sie müssen wieder in die Niederungen der Quote hinabsteigen, um ihre Interessen durchzusetzen. Müssen wieder die ganze Palette des fundamentalistischen Geschlechterkampfes mobilisieren: Frauenplena, Frauenrat, Machobeschimpfe und Unterdrückungsgejammer.
Nun gut. Wahrscheinlich bleibt ihnen nichts anderes übrig. Wenn die Kerle es so wollen, sollen sie es bekommen. Und wenn die dann völlig entnervt, in die Enge getrieben und gar gekocht sind, dann, ja dann können wir wieder anfangen, über Leistung zu reden. Bascha Mika
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