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Neues im Kosovo sorgt für grünen Frieden

Entschärfung des Kosovo-Konflikts erspart Bündnis 90/Die Grünen eine interne Zerreißprobe. Parlamentarierinnen verspüren „Beratungsbedarf“, lesen intensiv Zeitung und holen Hintergrundmaterial hervor  ■ Aus Bonn Bettina Gaus

Die Erleichterung stand den Abgeordneten von Bündnis 90/ Die Grünen vor der gestrigen Fraktionssitzung in Bonn ins Gesicht geschrieben: Die Entschärfung des Kosovo-Konflikts erspart der neuen Regierungspartei zunächst eine interne Zerreißprobe. Als „überaus positiv“ bewertete Fraktionschef Joschka Fischer, der designierte neue Außenminister, die Entwicklung. Die für Freitag vorgesehene Abstimmung des alten Bundestages über eine deutsche Beteiligung an einem Nato- Einsatz gegen Jugoslawien sei „im Lichte der Ereignisse“ nun „völlig anders zu bewerten“. Die Drohkulisse werde aufrechterhalten, aber Drohungen könnten nunmehr in „Kooperation“ umgesetzt werden.

Sowohl SPD als auch Bündnis 90/Die Grünen wollen ihren Abgeordneten das Abstimmungsverhalten freistellen. In den letzten Tagen hatte sich gezeigt, daß es bei den Grünen auch weiterhin grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten zum Thema Militärintervention gibt. Mehrere Parlamentarierinnen des realpolitischen Flügels erklärten gestern, sie hätten sich noch keine abschließende Meinung gebildet: „Ich lese im Moment so intensiv Zeitung und hole Hintergrundmaterial hervor wie schon lange nicht mehr“, sagte Christa Nickels. „Ich weiß noch nicht, wie ich stimmen werde.“ Ähnlich äußerte sich ihre Kollegin Marieluise Beck: „Es ist ein sehr, sehr schwieriger Konflikt zwischen Völkerrecht und humanitärer Katastrophe. Ich habe wirklich noch Beratungsbedarf.“

Vertreter der Parteilinken kündigten dagegen an, einem Bundeswehreinsatz ohne UN-Mandat nicht zustimmen zu wollen. Ludger Volmer hält die völkerrechtliche Grundlage für „nicht gegeben“. Er fürchtet einen „Präzedenzfall“, der dazu führen könne, daß auch in anderen Teilen der Welt Regionalmächte militärischen Lösungen in Konfliktfällen nähertreten würden. Ähnlich äußerte sich Parteichef Jürgen Trittin. Die Abgeordnete Annelie Buntenbach meinte, sie fände es selbst bei gegebenem UN-Mandat „schon schwer genug, einem solchen Einsatz zuzustimmen. Aber ohne UN-Mandat kommt es für mich nicht in Frage.“

Ungeachtet der Meinungsverschiedenheiten plädiert Joschka Fischer derzeit nicht für neue Programmbeschlüsse seiner Partei zum Thema. Die Situation müsse aufgrund der jeweiligen Entwicklung beurteilt werden.

Über Strömungsgrenzen hinweg bemühten sich gestern Abgeordnete um einen konzilianten Ton. Übereinstimmend wiesen Spitzenpolitiker darauf hin, daß der Umgang mit dem Kosovo- Konflikt eine „Erblast“ sei, die sie von der alten Regierung übernommen hätten.

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