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Wenn Polizisten wegschauen

■ Zwei wegen Strafvereitelung im Amt verurteilte Beamte begründen unterlassene Strafanzeigen wegen Mißhandlungsvideo damit, daß sie nicht "statisch" vor der Glotze saßen

Außer Spesen nichts gewesen. Mit diesem Fazit droht einer der größten Prozesse gegen Berliner Polizeibeamte demnächst zu Ende zu gehen. In einem Berufungsverfahren vor dem Landgericht müssen sich seit gestern zwei von einstmals 16 Polizisten des ersten Zuges der Direktionshundertschaft 6 verantworten, die im vergangenen Jahr wegen Körperverletzung und Strafvereitelung im Amt vor dem Amtsgericht gestanden hatten (die taz berichtete). Am Ende des Mammutprozesses waren der 31jährige Zugführer Peter G. und der 28jährige Polizist Carsten P. die einzigen, die verurteilt wurden: zu sechs Monaten Haft auf Bewährung beziehungsweise einer Geldstrafe von 4.550 Mark.

Der Rest der Truppe war freigesprochen worden, weil das Gericht die Vorwürfe nicht aufklären konnte. In einer ungewöhnlich scharfen Urteilsbegründung hatte jedoch der Vorsitzende des Erweiterten Schöffengerichtes, Hagen Sendt, festgestellt, daß „das Gericht keinen Zweifel daran hat, daß die Übergriffe stattgefunden haben“. Unter den Angeklagten habe ein „so enger und schlimmer Korpsgeist“ geherrscht, „daß Straftaten passieren konnten, ohne angezeigt zu werden“. Das Gericht sei bei der Aufklärung aber „mehr oder weniger gescheitert“, denn „außer einer Mauer des Schweigens“ sei von den Angeklagten „nichts herübergekommen“.

In dem Prozeß war es um mehrere Mißhandlungen von Festgenommenen gegangen, die von den Angehörigen des inzwischen aufgelösten ersten Zuges mit Fäusten und Schlagstöcken grundlos verprügelt worden sein sollen. Tatzeitraum war Ende 1993 bis Mai 1994. Wichtigstes Beweismittel war ein von einem Polizisten für private Zwecke gedrehter Videofilm vom Einsatz der Truppe in der Silvesternacht 1993/1994. Er beginnt mit Blödeleien auf der Wache und im Mannschaftswagen und gipfelt in der Szene, bei der mehrere Polizisten mit Fäusten ihr Mütchen an einem blutüberströmten festgenommenen Skinhead kühlen.

Diese Körperverletzung konnte ebensowenig nachgewiesen werden wie die übrigen Vorwürfe. Zum Schluß blieb nur noch die Strafvereitelung im Amt übrig. Denn der Videofilm war in einem Dienstzimmer vor versammelter Mannschaft vorgeführt worden, ohne daß einer der Beamten Strafanzeige erstattet hatte. „Stark, geil!“ schallte es laut Zeugenaussage bei der mehrfach gezeigten Szene durch den Raum.

Im Prozeß beriefen sich die Angeklagten jedoch darauf, bei der entscheidenden Szene auf dem Klo, im Fitneßraum oder beim Kaffeeholen gewesen zu sein. Einzig Peter G. und Carsten P. hatten sich nicht darauf berufen, den Raum zeitweise verlassen zu haben. Diese Scharte versuchten sie gestern auszuwetzen. Sie hätten nicht die ganze Zeit „statisch“ vor dem Fernseher gesessen. Mit dem Urteil wird kommende Woche gerechnet. Plutonia Plarre

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