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National-Gerüche in Sachsen

Die NPD spielt Parteitag in Mulda, wo ihr der Bürgermeister die Dorfhalle vermietete. Viele Skinordner, aber keiner, der bei Abstimmungen mitzählen kann  ■ Aus Mulda Robin Alexander

„Ohne den Mut der Muldaer wäre alles niedergebrannt“, erzählt Jörg Dellmann stolz und schiebt die Feuerwehrmütze aus der Stirn. Drei Nächte ist es her, als der gemütliche Dellmann und seine Kollegen in die brennende „Muldentalhalle“ einbrachen, die Flammen an Holz- und Filzwänden löschten und den schwelenden Fußboden aufhackten. Kontrolliert abbrennen lassen gibt es nicht bei der Freiwilligen Feuerwehr der 3.200-Seelen-Gemeinde im Erzgebirge. Wer den Brandsatz geworfen hat, weiß keiner. Ein halbgeschmolzener Basketballkorb, verkohltes Furnierholz und Baustellenabsperrungen sind jetzt Kulisse für einen „Sonderparteitag“ der NPD. Brandmeister Dellmann (CDU) ist auch da, „halb dienstlich, halb aus Interesse“.

Die NPD-Funktionäre bemühen sich, die Veranstaltung in der Muldentalhalle wie einen Parteitag aussehen zu lassen. Der Vorstand zieht mit Defiliermarsch ein, es gibt Stimmkarten, und in der Halle ist sogar das Rauchen verboten. Aber der Geruch aus der verkokelten Ecke treibt den Rechten sowieso die Tränen in die Augen.

„Da geben schon wieder Glatzen Interviews“, ruft einer, und ein grobschlächtiger Brutalo mit Ordnerbinde stürmt los. 400 Delegierte waren eingeladen, keine 300 sind gekommen. Uralte Männer in Kniebundhosen – und Blutjunge in Springerstiefeln und Bomberjacken. Nur Ausgesuchte dürfen mit Journalisten reden. Zwar stehen Skinheadordner drohend vor dem Podium, doch niemand hat an jene gedacht, die Abstimmungen auszählen könnten. „Das sieht jetzt nach Mehrheit aus“, sagt der Sitzungsleiter. So sieht NPD-Demokratie aus.

Auf dem Parteitag geht es um Programm und Listen für die Europawahl, aber eigentlich nur um die alten Parolen. Die transportiert die NPD jetzt mit einer an der CDU-Unterschriftenaktion angelehnten Kampagne: „Gegen Integration und doppelte Staatsbürgerschaft“. Der stärkste Landesverband der NPD ist der sächsische. Und der Rechtsextremismus, heißt es, sei hier im dörflichen Alltag fest verwurzelt. In Mulda jedenfalls sieht man noch keine Schulkinder in Bomberjacken. Im alten DDR-Moorbad des ehemaligen Kurortes leben 100 Asylbewerber. „Unsere Albaner klauen nicht, sondern spielen im Fußballverein“, ist Feuerwehrmann Dellmann stolz.

Wir haben unserem Bürgermeister verziehen

2.400 Mark Hallenmiete bekommt Mulda für das NPD-Spektakel. Stadtoberhaupt Gottfried Hegewald, der den NPD-Deal einfädelte, hat sich am Wochenende in ein Mauseloch verkrochen. Dellmann, der auch im Gemeinderat sitzt, hat ihn Freitag abend noch besucht, „um ihn zu stärken“. An ein Abwahlverfahren glaubt Dellmamn nicht. „Wir haben unserem Bürgermeister verziehen.“

„Ich werde ihm niemals verzeihen“, meint dagegen Sven Körner. Action ist selten in Mulda und deshalb ist der Tiefbauer aus Mulda heute ganz nah dran. Jugendliche Autonome aus Leipzig-Connewitz, Berlin und Wien spielen zeitgleich zum NPD-Parteitag ihr übliches Räuber und Gendarm mit der Polizei. Und Sven Körner steht auf einer Anhöhe über dem bunten Demozug und filmt alles mit „meener Händicäm“, einer kleinen Kamera. „Das zeig' ich meinen Kindern.“ Körners Sohn ist vier, seine Tochter ein Jahr alt. Nicht alle Muldaer trauen sich so nah ran wie er. Viele lehnen sich aus ihren Fenstern, einige balancieren auf den schrägen Schieferdächern ihrer Häuser.

Die Bürger von Mulda pöbeln nicht zurück, wenn ihr Ort „Nazistadt“ gerufen wird. Sie diskutieren auch nicht mit den NPDlern in ihren Kneipen. Und die Brandschäden ihrer Muldentalhalle, hoffen sie, zahlt die Versicherung. Jörg Dellmann, der seine Mitbürger kennt, zieht die Mütze seiner Uniform tiefer ins Gesicht: „Wissen Sie, wer hier seine Meinung sagt, ist uns ziemlich egal.“

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