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"Nun kommt einiges in Bewegung"

■ Der Leiter der Werner-Stephan-Oberschule, Siegfried Arnz (48), verlangt eine klare Regelung, damit Schüler mit unklarem Aufenthaltsstatus nicht in der Schule festgenommen werden dürfen

taz: Sind Sie der erste Schuldirektor in Berlin, der sich einem Polizeieinsatz an seiner Schule widersetzte und gegen den die Polizei wegen Beihilfe zum Verstoß gegen das Ausländergesetz Strafanzeige erstattet hat?

Siegfried Arnz: Ich weiß es nicht. Ein anderer Fall ist mir aber auch noch nicht zu Gehör gekommen. Deshalb finden wir es auch besonders wichtig, daß klargestellt wird, daß es keine Polizeieinsätze wegen ungeklärtem Aufenthaltsstatus bei Schülern geben darf. Mir kommt es in erster Linie auf eine politische Klarheit an, damit das grundsätzlich an Berliner Schulen geklärt ist. Es kann nicht von der persönlichen Haltung von Schulleitern abhängen, ob so etwas verhindert wird oder nicht.

Inwieweit sind Sie als Schulleiter zur Kooperation mit der Polizei verpflichtet?

Die Rechtssituation ist unklar. Deshalb habe ich gestern an Schulsenatorin Ingrid Stahmer die Aufforderung geschickt, sich beim Innensenator für eine eindeutige Klarstellung hinsichtlich der Frage einzusetzen, wie bei unklarer oder nicht bestehender Aufenthaltsberechtigung von Schülern im Bereich Schule zu verfahren ist.

Nach dem Ausländergesetz besteht eine weitgehende Pflicht zur Kooperation. Doch sofern keine Straftaten vorliegen – so wie bei dem jetzigen Fall – ist es zumindest nicht verantwortbar, daß die Polizei in die Schule kommt. Ich betone, daß wir selbstverständlich bei Straftaten eng mit der Polizei zusammenarbeiten und Schüler bei rechtlichem Fehlverhalten nicht decken.

Ihre Schule nimmt sich seit über zwanzig Jahren der Integration und Betreuung von Schülern an, die zum Teil als Flüchtlinge unter schwierigsten Bedingungen allein in Deutschland leben. Derzeit haben Sie etwa 50 Schüler mit ungeklärtem Aufenthaltsstatus, und in der Vergangenheit gab es keinerlei Polizeieinsätze dieser Art. Wie erklären Sie sich, daß es jetzt dazu gekommen ist?

Es ist einerseits Zufall. Aber andererseits sage ich ganz klar, daß ich die Tendenz und Stimmung, die unter anderem mit der Unterschriftensammlung der CDU erzeugt wird, sehr wohl in einem Zusammenhang mit dem Vorgehen bestimmter Kreise in der Ausländerpolizei sehe.

Welchen Eindruck hat der Polizeieinsatz bei den Schülern hinterlassen?

Er hat im ersten Moment große Aufregung und auch Angst ausgelöst. Doch jetzt erleben sie es als Stärkung und Stolz, weil sich die Gesamtkonferenz aus Eltern, Schülern und den 50 Lehrern hinter sie stellt.

Haben Sie Reaktionen von anderen Schulleitern erhalten?

Eine ganze Reihe von Schulleitern und Kollegen von Hauptschulen hat gesagt, daß sie sich jederzeit ähnlich verhalten würden. Auch der Volksbildungsstadtrat von Tempelhof hat öffentlich und mir gegenüber geäußert, daß er es für unerträglich hält, daß auf diese Art in Schulen eingegriffen wird. Das hat er auch gegenüber dem Innensenator und dem Landesschulamt deutlich gemacht. Nach Meinung des Leiters des Landesschulamtes, Wolfgang Schimmang, bin ich zwar nicht im Recht, doch das Vorgehen der Ausländerpolizei hält auch er für einen politisch-pädagogischen Mißgriff. Ich gehe davon aus, daß nun einiges in Bewegung kommt.

Wie würden Sie sich bei einem erneuten Polizeieinsatz verhalten?

Ich würde mich genauso verhalten. Es ist eine spannende Frage, ob es gelingt, bei der Senatsverwaltung für Inneres eine Regelung zu erreichen, in der klargestellt wird, daß sich derartige Vorfälle nicht wiederholen. Interview:

Barbara Bollwahn de Paez Casanova

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