: CDU und FDP gegen Gottschalk und Becker
■ Die Bundesregierung präsentiert in Anzeigen Promis für den Doppelpaß, die Opposition protestiert
Berlin (taz/AFP) – Das Bundespresseamt kommt in der Öffentlichkeit gern mit drögen Broschüren zum Rentensystem daher oder läßt Selbstlob-Magazine von den Kleiderhaken in Intercity-Abteilen baumeln. Doch jetzt haben die Öffentlichkeitsarbeiter einen Coup gelandet: Drei schöne Männer in schwarzen Pullovern blickten am Samstag eindringlich von Anzeigen der Bundesregierung.
Geschaltet war die ganzseitige Anzeige in fünf überregionalen Tageszeitungen, darunter auch der taz. „Wir“, verkündete das Trio, „wollen stolz sein auf eine moderne, weltoffene Bundesrepublik Deutschland.“ Wir, das waren Boris Becker, Thomas Gottschalk und Marius Müller-Westernhagen. In vielen Ländern, so erklärten die drei Promis, sei Einbürgerung selbstverständlich: „Dort finden Menschen eine zweite Heimat, ohne die erste aufgeben zu müssen. Deshalb unterstützen wir die Bundesregierung bei der Reform des Staatsbürgerschaftsrechts.“ Der Pfefferminz-Sänger ist mit seinen Lieder wahrscheinlich noch der unbekannteste. Aber prominenter als Becker und Gottschalk dürfte in Deutschland allenfalls Helmut Kohl sein. „Sympathisch“, kommentierte der Haushaltssprecher der CDU-Bundestagsfraktion denn auch zähneknirschend. Allerdings sei die Anzeige „verfassungswidrig und teuer für den Steuerzahler“. Der CDU-Politiker verwies auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes. Die verbiete eine Einwirkung der Bundesregierung und ihres Presseamtes auf den Wahlkampf in einem Bundesland. In Hessen wird am 7. Februar gewählt.
Der FDP-Bundestagsabgeordnete Jürgen Koppelin forderte in einem Schreiben an die Präsidentin des Bundesrechnungshofes den sofortigen Stopp der Anzeigenaktion. Die FDP-Fraktion werde eine Sondersitzung des Bonner Rechnungsprüfungsausschusses verlangen. Recherchen der Münchner Abendzeitung zufolge hat die Aktion 600.000 Mark gekostet.
Eine Regierungssprecherin wies die Oppositionskritik zurück. Die Anzeigen seien bundesweit geschaltet. Deswegen werde kein Einfluß auf die Wahlen in einem einzigen Bundesland genommen. Aufgabe des Bundespresseamtes sei es, die Bevölkerung zu informieren, und dies erfolge mit den Anzeigen – unabhängig von der Hessen-Wahl. Zu teuer? Die drei Stars hätten für ihre Teilnahme kein Geld verlangt und auch keines bekommen, verkündete die Sprecherin genüßlich. Sie hätten „sich gern und spontan zur Verfügung gestellt“. löw
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