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Wo die Waffen-SS noch zu Ehren kommt

Unter massivem Polizeischutz demonstrierte in Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt Magdeburg die neonazistische NPD. Einige ihrer Redner ließen die Waffen-SS hochleben. Selbst 10jährige waren dabei  ■ Aus Magdeburg Nick Reimer

Magdeburg (taz) – Panzer auf dem Domplatz, über 2.000 Polizisten und Bundesgrenzschützer aus Nordrhein-Westfalen, Sachsen- Anhalt und Mecklenburg: In Magdeburg herrschte am Samstag Ausnahmezustand. Die NPD hatte zur Kundgebung gegen die doppelte Staatsbürgerschaft aufgerufen. Über 1.100 Anhänger – überwiegend aus Ostdeutschland, Hamburg und Niedersachsen – waren nach Polizeiangaben auf den Domplatz gekommen.

„Wir werden kein Volk als minderwertig oder überflüssig bezeichnen“, so Redner Steffen Hupka, Sachsen-Anhalts NPD- Landeschef. Jedes Volk sollte aber seine Gene in dem Kulturraum vermehren, der ihm angestammt ist. „Alle Ausländer müssen raus“, betonte Hupka und dem Jubel der zwischen 10 und 70 Jahre alten „Kameraden“. Auch der Grieche, der seit 30 Jahren hier ein Restaurant betreibt und dessen in Deutschland geborene Kinder. Denn „nicht Gesellschaft oder Umwelt prägen den Menschen, sondern dessen Gene“ so Hupka. Deshalb müsse verhindert werden, daß sich deutsche Gene mit „fremdländischen“ vermischen. Hupka bezeichnete die CDU-Unterschriftenkampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft als unsinnig: „Man kann Millionen von Ausländern nicht in Deutschland integrieren wollen, ohne ihnen einen Paß zu geben.“ Integration funktioniere nur mit deutschem Paß. Während Hupka darauf achtete, sich mit seinen Worten möglichst nicht strafbar zu machen, nahmen die darauffolgenden drei Redner kein Blatt mehr vor den Mund. Eine Jugendbewegung habe sich in Mitteldeutschland geformt, sagte etwa „Kamerad Steiner“, „und wenn ich Mitteldeutschland sage, dann meine ich, daß Ostdeutschland jenseits der Oder beginnt“. Nach dem Krieg seien jüdische Todesschwadronen mordbrennend durch Deutschland gezogen. Die Waffen-SS habe hingegen heldenhaft bis zur letzten Patrone gekämpft und so ermöglicht, daß daraus jetzt die wahre Identität der Deutschen erwachsen kann. „Ruhm und Ehre der Waffen-SS“, skandierten die Kundgebungsteilnehmer daraufhin begeistert.

Wenig Anklang fanden die Gegendemonstrationen. Vier der sieben Veranstaltungen waren abgesagt worden, die Teilnehmerzahl der zentralen Gegenveranstaltung auf dem alten Markt gab Polizeisprecher Lothar Schirmer gegenüber der taz mit 250 an. Auf dieser prangerte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reinhard Höppner auch die „dumpfen, populistischen Sprüche“ der rechtsextremen DVU-Landtagsfraktion an. Diese hätten Stadt und Land enormen Schaden zugeführt, Verunsicherung unter den ausländischen Mitbürgern hervorgerufen und ausländische Investoren abgeschreckt.

Beim Marsch der Antifa beteiligten sich nach Polizeiangaben 450 Menschen, nach Angaben der Veranstalter über 600. Ein Teil versuchte vom alten Markt aus zum Domplatz vorzustoßen. Nach dem Ende der NPD-Kundgebung versuchten vor allem Autonome die NPD-Anhänger anzugreifen. Bis zum Abend gab es knapp 100 Festnahmen – überwiegend bei den Autonomen.

Im Vorfeld hatte Magdeburgs Polizeipräsidentin Monika Liebau-Foß versucht, NPD-Kundgebung und geplanten Marsch durch die Stadt mit juristischen Mitteln zu verhindern. Dabei berief sie sich wegen der Vielzahl von angemeldeten Gegendemonstrationen auf „polizeilichen Notstand“, was vor den Gerichten keinen Bestand hatte. Immerhin gelang es ihr durch einen Auflagenkatalog, den Marsch durch die Stadt zu verhindern.

„Ich bin nicht unbedingt traurig über das Marschverbot“, sagte Sachsen-Anhalts NPD-Chef Hupka. Schließlich habe das juristische Tauziehen für Schlagzeilen gesorgt.

Die NPD demonstrierte am Samstag auch mit 400 Anhänger im brandenburgischen Angermünde. Zur Gegendemonstration des uckermärkischen Ortes waren dort immerhin 700 Menschen erschienen. Im sächsischen Wurzen marschierten unter der Losung „Weg mit dem Nazi-Spuk“ nach Polizeiangaben 250 Linke. Die Polizei nahm 22 Rechtsradikale fest. Sie hatten die Demonstranten mit Fäkalienbeuteln beworfen.

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