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Volkstribun Haider auf dem Vormarsch

■ Die FPÖ könnte bei den Landtagswahlen in Kärnten stärkste Kraft werden. Jörg Haider spekuliert auf das Amt des Landeshauptmannes

Wien (taz) – Die „ordentliche Beschäftigungspolitik“, durch die sich nach seinem Dafürhalten das Dritte Reich ausgezeichnet habe, führte 1991 zur Absetzung von Jörg Haider als Landeshauptmann von Kärnten. Jetzt ist der freiheitliche Volkstribun drauf und dran, den Vorsitz der Landesregierung in Klagenfurt zurückzuerobern. Der Unterschied: 1989 war Haider zum Zug gekommen, weil sich die beiden großen Parteien, die sozialdemokratische SPÖ und die christdemokratische ÖPV, nicht einigen konnten. Diesmal will der „Le Pen von Österreich“ das Amt aus eigenem Recht beanspruchen.

Am 7. März werden in den Bundesländern Salzburg, Tirol und Kärnten mehr als 1,2 Millionen Wahlberechtigte über die Zusammensetzung der neuen Landtage entscheiden. Alle Umfragen deuten darauf hin, daß die FPÖ dabei in Kärnten stärkste Kraft wird. Demgegenüber droht den Sozialdemokaten, die bisher im südlichsten Bundesland die Hausherren waren, ein Debakel.

SPÖ-Spitzenkandidat Michael Außerwinkler, von den Umfragen längst ab- und von den Medien totgeschrieben, wollte schon vor Wochen zurücktreten. Die sozialdemokratischen Bürgermeister konnten ihn daran hindern. Der 41jährige Mediziner und kurzzeitige Gesundheitsminster soll die Katastrophe ausbaden und sich am Wahlabend, nach Eingeständnis der Niederlage, ins politische Abseits begeben.

Angesichts der offenbaren Unvermeidlichkeit eines Haider-Sieges – die Umfragen prophezeien ihm zwischen 36 und 38 Prozent gegenüber 32 Prozent für die SPÖ und 24 bis 26 Prozent für die ÖVP – wird in den Parteizentralen der voraussichtlichen Verlierer an Haider-Verhinderungsszenarien gebastelt. Die Landesverfassung schreibt nicht zwingend vor, daß der Chef der stimmenstärksten Partei zum Landeshauptmann gewählt werden muß.

Zwar ist es in anderen Bundesländern so üblich, doch in Kärnten ist alles anders. Mit Christoph Zernatto (ÖVP) wurde nach dem Haider-Abgang vor acht Jahren der Vorsitzende der kleinsten Fraktion gewählt. Auch nach den Landtagswahlen 1994, die mit einem Sieg der SPÖ endeten, konnte sich Zernatto mit der Drohung, andernfalls die FPÖ zu Hilfe zu rufen, mit den Stimmen der Sozialdemokraten wiederwählen lassen.

Jetzt wird gestritten, wie man mit einem Wahlsieger Haider umgehen soll. Die einen wollen ihn von der Macht fernhalten. Die anderen sind dafür, Haider in Kärnten ruhigzustellen und damit von der bundespolitischen Bühne abzuziehen. Denn wenn er durch die rot-schwarze Paktiererei um sein Amt gebracht würde, könnte er zu den Nationalratswahlen im Oktober mit einem Märtyrerbonus antreten. Nachdem Außerwinklers Rücktritt am Wahlabend ausgemachte Sache ist, gibt sich vor allem die ÖVP stramm: Zernatto, der auf eine dritte Amtszeit spekuliert, fürchtet, die SPÖ würde spätestens im dritten Wahlgang umfallen und Haider zulassen.

Haiders Triumph würde die FPÖ aus einer Talsohle führen. Noch bangen die Parteistrategen dem Prozeß gegen Peter Rosenstingl entgegen, der im brasilianischen Fortaleza auf seine Auslieferung wartet. Der ehemalige Nationalratshinterbänkler und FP-Chef von Niederösterreich hatte sich vor einem Jahr mit seiner Sekretärin und über 20 Millionen Mark aus dem Staub gemacht und die FPÖ Niederösterreich an den Rand des Bankrotts getrieben. Bei den Ermittlungen flog auf, wie tief auch andere Parteifunktionäre in dubiose Finanztransaktionen verstrickt waren. Seine Aussagen könnten noch weitere Parteibonzen in Verlegenheit bringen. In Salzburg, Tirol und Kärnten mußten 1998 Aufstände der Parteibasis von höchster Stelle niedergemacht werden. Zuletzt ließ Haider auch den Quereinsteiger und Multimillionär Thomas Prinzhorn, der sich um die Sanierung des Rosenstingl- Sumpfes bemüht hatte, aus Partei und Parlament entfernen.

Das Schreckensjahr der FPÖ hat zwar die Partei angeschlagen. Doch in Kärnten, wo Arbeiter die geringste Kaufkraft haben und ständig Jobs verlorengehen, kann Haider offenbar niemand schaden. Gerade seine Gabe, alles und das Gegenteil dazu vertreten, machen den Erfolg Jörg Haiders aus. Und die geringe Attraktivität der anderen Parteien, die durch zu lange Machtausübung schwerfällig geworden sind und alle Strukturen mit ihrem Filz überzogen haben.

Marian Sturm, Obmann des Zentralverbandes Slowenischer Organisationen, macht sich Sorgen. Zwar glaubt er nicht, daß es unter Haider zu Pogromen gegen die slowenische Minderheit kommt. Jedoch: „Die Spaltung der Gesellschaft nach ethnischen Kriterien wird vorangetrieben werden.“ Ralf Leonhard

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