: Schillerndes Urteil
Ein zwielichtiger Streit zwischen Mieter und Vermieter eskaliert vor Gericht. Das Urteil: Ein Jahr und drei Monate Gefängnis ■ Von Eberhard Spohd
Der Rechtsanwalt schnappte nach Luft. Selbst die Staatsanwältin versuchte irritiert, ihren Blick zu fokussieren. Ronald Schill, Richter am Amtsgericht Hamburg, hatte wieder einmal ein gnadenloses Urteil gefällt. Der Anwalt hatte auf Freispruch plädiert, die Anklägerin forderte eine Geldstrafe von 9000 Mark. Allein Schill wollte den beiden nicht folgen und urteilte: ein Jahr und drei Monate Gefängnis – ohne Bewährung.
Dabei hatte der Angeklagte B. doch nur jemanden angeheuert, um seinem Vermieter S. die Hecke vor dessen Haus abzubrennen. Der freie Immobilienmakler B. ohne Einkommen – „Die Zeiten sind schlecht, Herr Richter“ – hatte von S. ein Häuschen angemietet. Die Miete für die 80 Quadratmeter betrug 2700 Mark inklusive Gartenpflege. Postwendend zog eine Prostituierte ein. S. hatte nichts dagegen einzuwenden, sein Verhältnis zu der Vietnamesin schien gut: „Ab und zu fuhr ich sie auch zur Arbeit.“
Erst als die Mietzahlungen ausblieben, wollte S. seinen Mieter loswerden. Da machte ihm B. ein Angebot: Entweder er klage ihn aus dem Vertrag – dessen Rechtsgültigkeit wohl fragwürdig war –, was ihn mindestens zwei Jahre und viel Geld koste, oder er bezahle eine Abfindung in Höhe von 15.000 Mark. Darauf wollte S. aus verständlichen Gründen nicht eingehen. Also mietete sich B. jemanden, der im März 1996 die Hecke vor des Vermieters Wohnhaus anzündete. Unter dem Eindruck des Geschehens war der sofort bereit, die geforderte Summe zu zahlen, und schon zwei Tage später wurde das Häuschen geräumt.
Vermittelt wurde der Heckenzündler durch den Zeugen M. Der ehemalige gute Freund und Nachbar des Angeklagten – „Wir haben oft zusammen gefrühstückt“ – hatte ein ganz eigenes Interesse. M. sitzt zur Zeit eine Haftstrafe wegen Kokain-Handels ab. Er und B. seien „damals recht häufig im Schneehaufen gelandet“. B. soll auch in die Drogengeschäfte verwickelt gewesen sein, kam aber mit heiler Haut davon. „Außerdem schuldet er mir noch um die 15.000 Mark.“
Grund genug für M., vor Gericht auszupacken. Wie B. ihm von dem Coup mit dem Brandanschlag erzählt habe. Wie er selbst bei der Geldübergabe dabei war. Wie B. sich von ihm für einen Abend eine Armbrust lieh, um damit das Wohnhaus von S. zu beschießen. Daß B. seinen Vermeiter schon einmal erpreßt habe: 20.000 Mark soll er verlangt haben, damit nicht bekannt wird, daß er mit der Prostituierten geschlafen habe.
All dies war für Richter Schill Grund genug, die Nötigung in „große Nähe zu schwerer räuberischer Erpressung“ zu rücken, sogar in „die Nähe einer Schutzgelderpressung. Das äußerst skrupellose, kriminell verfestigte Auftreten des Angeklagten in diesem Fall rechtfertigt die hohe Strafe“. Der Anwalt fühlte sich bei der Urteilsbegründung „wie in einer Geisterbahn“ und sprach von einem „typischen Schill-Urteil“. Nun muß sich die Berufungsinstanz mit dem Fall beschäftigen.
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