piwik no script img

Ost-Bezirke ohne Haushaltsplan

■  Vier PDS-Bürgermeister folgen dem Vorbild von Mitte: Weil ihnen der Senat nach ihrer Ansicht zuwenig Geld überweist, wollen sie für das Jahr 2000 keinen Etat aufstellen

Not macht erfinderisch. Aus Protest gegen das Finanzloch in ihren Kassen haben sich fünf Bezirksämter dazu entschlossen, keinen eigenen Haushaltsplan für das Jahr 2000 aufzustellen. Die PDS-geführten Bezirke Lichtenberg, Hellersdorf, Marzahn und Hohenschönhausen folgen damit dem Vorbild des CDU-geführten Mitte. „Wir hoffen auf die Solidarität der Politiker der anderen Parteien“, sagte gestern der PDS-Bezirksbürgermeister von Lichtenberg, Wolfram Friedersdorf. Mitte hatte sich bereits vorige Woche mit den Stimmen aller Parteien im Bezirk dazu entschlossen, keinen Etat für das kommende Jahr zu erarbeiten, weil der Senat zuwenig Geld bereitstelle.

Bislang beteiligen sich an dem Boykott nur Bezirke im Ostteil der Stadt. Aus einer Berechnung des Friedrichshainer Bezirksbürgermeisters Helios Mendiburu (SPD) geht hervor, daß die Ostbezirke zum Teil deutlich weniger Geld für bezirkliche Aufgaben zur Verfügung haben als die meisten West-Bezirke. Besonders hart trifft es Hellersdorf, Mitte und Marzahn. Am besten stehen nach der Mendiburu-Liste noch Reinickendorf, Charlottenburg und Neukölln da.

Die Dramatik der Lage schilderte Lichtenbergs Bürgermeister Friedersdorff am Beispiel des Nachbarbezirks Lichtenberg: Von den 89 Millionen Mark, über die der Bezirk dieses Jahr auf dem Papier frei verfügen kann, würden 45 Millionen Mark gleich wieder abgezogen – für die Konsolidierung des Landeshaushalts. Von den verbleibenden 44 Millionen Mark seien 40 Millionen Mark Festkosten für das Essen in den Kindertagesstätten, für Gebäudeunterhalt und für Lehrmittel. Es blieben ganze 4 Millionen Mark für Sozialprojekte der Freien Träger, Hochbau, Straßenunterhalt und Grünflächenpflege. „Mit so einem Betrag ist keine vernüftige Planung mehr zu machen“, sagte Friedersdorff.

In einer Erklärung fordern die PDS-Bürgermeister „für alle Bezirke“ eine Absenkung der Konsolidierungspauschale um insgesamt 200 Millionen Mark. Außerdem müsse die Zuweisung an die Bezirke um insgesamt 500 Millionen Mark aufgestockt werden. Legen die Bezirke keinen Etat vor, stellt der Senat sie unter eine „vorläufige Haushaltswirtschaft“. Dann seien sie nicht mehr für die Einhaltung des Etats verantwortlich, so Friedersdorff.

Die Referentin von Finanzsenatorin Fugmann-Heesing, Barbro Dreher, warnte hingegen, die vorläufige Haushaltswirtschaft schränke die Bezirke ein. Auch der Köpenicker Bürgermeister Thomas Ulbricht bezeichnete das Vorgehen seiner PDS-Kollegen als „falschen Weg“. Es sei aber richtig, auf die Problematik aufmerksam zu machen.

Auf grundsätzliche Kritik stieß das Vorgehen der PDS-geführten Bezirksämter beim Finanzstadtrat von Neukölln, Michael Freiberg (CDU). Die Weigerung, einen Haushaltsplan für das Jahr 2000 aufzustellen, sei „demokratisch verwerflich“. Es sei der „Job“ von Politikern, Haushaltspläne aufzustellen, auch wenn sehr wenig Geld vorhanden sei. Wer das nicht tue, dem müsse man „die Politikfähigkeit absprechen“.

Franz Schulz, bündisgrüner Bezirksbürgermeister von Kreuzberg, erklärte, die Ost-Bezirke seien von den Vorgaben des Landes besonders betroffen, da viele von ihnen vor allem durch Mietverpflichtungen stark gebunden seien. In seinem Bezirksamt werde man „genau betrachten“, ob die Rahmendaten des Landes für Kreuzberg umsetzbar seien. Es könne sein, daß sein Bezirk sich dem Vollzug der Senatsvorgaben „verschließen“ müsse. plu, ges

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen