: Rechtsbereinigter Raum Abschiebehaft?
■ Juristen contra Innenbehörde: Nach jahrelanger „behördlicher Behinderung“ stellen Rechtsberater Tätigkeit in Abschiebehaft ein. „Wir übernehmen keine Alibifunktion“
Schikane von Behördenseite – das ist nur ein Grund, warum die ehrenamtlichen Rechtsberater des „Vereins für Rechtshilfe im Justizvollzug im Lande Bremen“ jetzt das Handtuch werfen. Sie werden in Bremer Abschiebehaft künftig keine „Alibifunktion“ mehr übernehmen. Für die internationalen Gefangenen wird es damit schwieriger werden, sich über ihren Rechtsstatus, die bevorstehende Abschiebung aber auch über ihre Rechte im Gewahrsam zu informieren.
Diesen Schlußpunkt setzt der gemeinnützige Verein jetzt nach mehrjähriger Tätigkeit in Abschiebehaft, dokumentiert im Jahresbericht 1998 (vgl. Seite 22). „Die Voraussetzungen für eine angemessene Rechtsberatung konnten trotz erheblicher Anstrengungen von unserer Seite nicht hergestellt werden“, schrieb der Vereinsvorsitzende, der Bremer Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Joachim Feest, vor Wochen quasi in einem Abschiedsbrief an verschiedene Bremer Bremer Behörden. Die schwiegen bislang, während Juristen bundesweit scharf auf die stellenweise drastische Bestandsaufnahnme der Bremer KollegInnen reagierten.
Diese sehen sich nicht nur in ihrer Arbeit behördlicherseits behindert, indem ihnen der gewünschte, feste Beratungstermin verweigert wurde. Vielmehr sei die Situation der Gefangenen in Abschiebehaft grundsätzlich unzureichend geregelt und „in höchstem Maße kritikwürdig“, so Christine Graebsch, Juristin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Bremer Universität. In einem Fall sei die Gruppe sogar daran gehindert worden, das Asylgesuch eines Blinden Passagiers zu unterstützen. Der Mann wurde noch am Tag seiner Ankunft abgeschoben, ohne daß er einen Anwalt gesehen hatte.
Der Verein bemängelt auch das Fehlen eines geregelten Beschwerdeverfahrens für Abschiebehäftlinge. Anders als Strafgefangene könnten Abschiebehäftlinge sich gegen Benachteiligung durch Behörden und Bedienstete deshalb nur schwer wehren. Graebsch benennt Fälle, in denen Beschwerden, wie beispielsweise an den Ausländerausschuß oder die Ausländerbeauftragte, unbeantwortet blieben. Sogar Strafanzeigen gegen Bedienstete hätten keine Wirkung gezeigt: Bevor die Beschwerdeführer noch staatsanwaltlich vernommen werden konnten, seien sie abgeschoben worden.
Rechtlich fragwürdig sei außerdem der Einsatz einer sogenannten Beruhigungszelle. „Einzelhaft“ sei schon im Strafvollzug rechtsstaatlich bedenklich. Das Einschließen eines Abschiebehäftlings in einem nicht beheizbaren Raum, lediglich mit Matraze und Abflußloch versehen, führe – kombiniert mit zumeist großen Sprachproblemen – fast zwangsläufig zu dessen völliger Rechtlosigkeit. Ihr gegenüber sei sogar die „sponate Belegung“ der Zelle im Winter nicht ausgeschlossen worden, berichtet Graebsch. Auf Nachfrage habe man ihr geantwortet, man könne dem Betroffenen notfalls eine Decke mitgeben.
Der Münchner Rechtsanwalt Hubert Heinhold, zugleich Autor eines Buches über bundesdeutsche Abschiebungshaft, reagierte auf diese Darstellungen „erschüttert“: „Mein Eindruck ist, daß man offenbar auch von einem Bremer Gefängnisskandal 1998 sprechen muß“, schreibt er – und erwägt, die Zustände in einem nächsten Buch aufzugreifen. Als „unerträglich“ bezeichnet auch der Bremer Europarechtler am Zentrum für Europäische Rechtspolitik, Klaus Sieveking, die aktuelle Entwicklung. Daß die Rechtsberatung bislang nur „ehrenamtlich“ stattfand, hält er für ein Manko. Man müsse prüfen, ob diese Beratungsaufgabe nicht staatlicherseits übernommen werden müsse.
Während die Bremer Innenbehörde die Darstellung des Vereins als „überzogen“ bezeichnet, ging in der Polizeibehörde das Anschreiben zum Bericht offenbar verloren.
ede
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