Cream of Crime: Medienmorden
■ Ein Chefredakteur in der Badewanne: Peter Johannes und „Perlen für die Säue“
In seltenen Fällen sind Krimis ideale Vehikel zum Spotten, Speien und überhaupt Die-Sau-Rauslassen. In Krimis kann man lustvoll diejenigen hinmetzeln, die schon längst drangewesen wären, und man kann es völlig ungestraft haargenauso machen, wie man sich das vorstellt. Krimis, so gesehen, sparen Geld für den Psychiater oder den Strafverteidiger.
Unser Autor, wir wollen ihn Peter Johannes nennen, läßt in „Perlen für die Säue“ seinen niederen Instinkten freien Lauf. Nach langen Jahren im „Magazinjournalismus“ hat er vermutlich tausend gute Gründe, den Chefredakteur der Wichtigen, einem Hamburger Krawallblatt irgendwo zwischen Gala und Tempo, mit heruntergelassenen Hosen, Monica-Flecken auf dem Beinkleid und mausetot enden zu lassen. Wolfgang Wedel-Mayer hieß die Sau, der Popstar unter den Chefredakteuren, der vom Verleger Georg Claas angeheuert worden war, um die Wichtige wieder auf Vordermann zu bringen. Auflage ist alles, Moral ein unverständliches Phonäm. Wedel-Mayer steht vor dem Scoop seines Lebens: Aus trüben Quellen hat er Fotos vom Ministerpräsidenten (SPD) eines neuen Bundeslandes, der allzu grob mit der PDS schäkert und vor allem Verleger Claas nicht in den Kram paßt. Der hätte nämlich lieber einen CDU-Mann als Landesfürsten, weil der ihm dringend benötigte Fernsehlizenzen zuschustern könnte. Auf den Fotos nun ist der SPD-Mann anscheinend ertappt: bei pornographischen Turnübungen in der Badewanne (!), mit Krawatte, entblößtem Geschlechtswerkzeug und vermutlich minderjährigen Gespielinnen. Um diese Fotos herum entwickelt sich nun ein unappetitliches Ränkespiel, bei dem Johannes alles mitmischen läßt, was sich in der Branche tummelt: den verblasenen Kulturredakteur, der schon bessere Tage gesehen hat und jetzt entwürdigenden Lifestyle-Quack verzapfen muß, die ambitionierte Art-Directorin mit frustrierendem Sexualleben, das geile junge Pärchen, das sein Geschlechtsleben zum öffentlichen Thema macht, den in der Wolle gefärbten Rassisten im Innenressort, das Junggenie mit den unverständlichen Sätzen, alle anderen Sorten von Schleimern, Opportunisten, Dummnicks, Rückversicherern, Weicheiern und Dumpfbacken selbstverständlich auch.
Wer den Oberrüpel von Chefredakteur schließlich umgebracht hat, das soll der Krimi klären. Zunächst geraten alle in Verdacht, weil alle Gründe haben. Die Putzfrau, weil die Wichtige ihren Lieblingsopernsänger mit Dreck bewirft, die Gattin des Opfers, weil das auch privat eine Pottsau ist, die Vorzimmerdame, die er, klar, sexuell belästigt, diverse gefeuerte oder vor dem Rauswurf stehende Redakteure sowieso. Bei so viel Schmutz, Gemeinheit und Niedertracht auf einem Fleck wäre eigentlich auch die Kollektivlösung à la „Mord im Orientexpreß“ nachvollziehbar gewesen. Aber glücklicherweise umschifft Johannes diese Klippe elegant, indem er, den Krimi parodierend, gleich eine ganze Kette von Lösungen anbietet. Die kreischende Inkompetenz, das sündhaft frivole Herumpütschern mit der Macht der Vierten Gewalt inszeniert er nicht als „realistische“ Abbildung – die Verleumdungsklagen könnte Johannes auch gar nicht bezahlen –, sondern als Stück schmierigen Enthüllungsjournalismus. Form follows topic sozusagen. Thomas Wörtche ‚/B‘Peter Johannes: „Perlen für die Säue“. Roman. Eichborn Verlag, Frankfurt/Main 1999, 367 Seiten, 36 DM
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen