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Polizisten geben Parteibuch zurück

■ Gewerkschaftsvorstand verläßt geschlossen die SPD – aus Protest gegen Konkurrenz durch neue, schlecht ausgebildete Hilfssheriffs

Die glücklose Berliner SPD hat schon wieder vier Mitglieder weniger. Gemeinsam mit drei Vorstandskollegen gab der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Eberhard Schönberg, am Wochenende sein Parteibuch zurück. Am Donnerstag hatten die Sozialdemokraten im Landesparlament dafür gestimmt, daß künftig schlecht ausgebildete Hilfssheriffs selbständig und bewaffnet auf Streife gehen sollen. Damit war für den Gewerkschafter Schönberg das Handtuch zerschnitten. „Hier hat die SPD völlig versagt“, sagt Schönberg.

Künftig kann sich jeder Berliner zwischen 18 und 45 Jahren für den „Freiwilligen Polizeidienst“ (FPD) bewerben. Angenommen wird, wer „nach seiner Gesamtpersönlichkeit geeignet erscheint“ sowie „Zuverlässigkeit und Verantwortungsbereitschaft“ erkennen läßt. Wer diese Kriterien erfüllt, erhält nach einer vierzehntägigen Schnellbleiche eine Dienstwaffe, mit der er dann für ein Salär von 8 Mark pro Stunde zu Streifengängen, zu Verkehrskontrollen oder zum Objektschutz ausrücken kann – auch ohne Begleitung durch ausgebildete Polizisten.

Mit dem FPD erlebt die skandalumwitterte „Freiwillige Polizeireserve“ (FPR) ein Comeback. 1960 war die Feierabendtruppe als Westberliner Pendant zu den Betriebskampfgruppen in der DDR gegründet worden. Nach dem Fall der Mauer war die FPR nur noch für Skandale gut: Ein Untersuchungsausschuß ergab, daß jeder zwanzigste Hilfspolizist ein rechtskräftig verurteilter Straftäter war. Auch Rechtsradikale fanden sich in den Reihen der Polizeireserve. Deshalb sieht das neue Gesetz vor, Bewerber bei „begründeten Zweifeln“ an ihrer Verfassungstreue abzulehnen.

Der Gewerkschaft reicht das jedoch nicht. Schon längst fordert sie die völlige Abschaffung der Polizeireserve – ein Wunsch, den die SPD bislang teilte. Statt die umstrittenen Hilfssheriffs abzuschaffen, sind die Sozialdemokraten jetzt aber gegenüber der CDU-Forderung eingeknickt, deren Kompetenzen zu erweitern – für Gewerkschafter Schönberg „blinder Aktionismus“, der Sicherheit vorgaukele, die Bevölkerung in Wahrheit aber gefährde.

Nachdem die Kritik an der Gesetzesänderung im Lärm um den Jugoslawien-Krieg untergegangen war, trifft der Eklat nun eine Regierungspartei, die sich mit Umfragewerten um 26 Prozent ohnehin im Stimmungstief befindet – und gerade dabei ist, ihre Hoffnung auf eine rot-grüne Koalition nach den Berliner Wahlen im Herbst zu begraben.

Der Berliner SPD-Innenpolitiker Hans-Georg Lorenz zeigte sich „entsetzt“ über den Parteiaustritt der GdP-Funktionäre. Gerade erst habe die Partei gegen den Widerstand der CDU ein neues Laufbahnmodell bei der Polizei eingeführt, das den Beamten mehr Geld bringe. Lorenz verwies darauf, daß vor allem die CDU den Freiwilligen Polizeidienst haben wollte. Dieses Argument läßt Schönberg aber nicht gelten: „Aus der CDU kann ich nicht austreten, weil ich ihr nicht angehöre.“

Ralph Bollmann

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