: „Wir bohren halt dicke Bretter“
■ Frauenministerin Christine Bergmann (SPD) über die Frauenförderung in der Privatwirtschaft: Die Betriebsparteien sollen Ziele aushandeln. Ein gesetzlicher Rahmen ist noch lange nicht in Sicht
taz: Zum 8. März, dem Internationalen Frauentag, sollten die Eckpunkte für ein Gleichstellungsgesetz vorliegen. Jetzt heißt es: in diesem Jahr eher nicht mehr. Das klingt ja so, als hätten Sie die Segel vorerst gestrichen. War der Gegenwind zu stark?
Christine Bergmann: Wir haben nie behauptet, daß ein Gleichstellungsgesetz für die private Wirtschaft eine Sache ist, die schnell geht. Wir richten gerade eine Expertengruppe ein, in der wir mit Vertretern aus Wirtschaft, Gewerkschaften und Politik über genau diese Eckpunkte reden. Und wir untersuchen positive Ansätze, die es in der Wirtschaft gibt. Erst dann stellt sich die Frage, welche rechtlichen Regelungen wir brauchen. Aber die Segel gestrichen, das haben wir überhaupt nicht. Wir sind es gewöhnt, dicke Bretter zu bohren und nun bohren wir halt.
Sie hatten schon mal konkrete Vorhaben benannt, zum Beispiel größeren Betrieben einen Frauenförderplan zu verordnen. Diese Pläne hat Bundeskanzler Schröder vor kurzem als wirtschaftsfeindlich bezeichnet. Wird es nun nichts mit Förderplänen?
Wir werden in dieser Expertengruppe sehen, ob es sich als vernünftiger erweist, konkrete Vorgaben zu machen oder ob man nur die Ziele vorgibt und dann den Betriebsparteien freie Hand läßt. Es gibt ja in einigen Betrieben schon Zielvereinbarungen: Zum Beispiel die Frauenquote im Leitungsbereich in einem festen Zeitraum um einen bestimmten Prozentsatz zu erhöhen oder Mädchen für die Ausbildung zu gewinnen. Wir wollen diese Frage breit diskutieren. Aber klar ist, daß es am Ende einen Rechtsrahmen geben muß.
Aber ein Konsens wird wohl kaum zu erreichen sein. Auf der Düsseldorfer Frauenmesse hat Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt nach Ihrer Rede seine Aversionen gegen Frauenförderung sehr deutlich verbreitet.
Ich habe daraufhin beschlossen, daß ich nur noch nach Arbeitgeberpräsidenten rede, damit ich auf das eingehen kann, was da zum Teil unsachlich und falsch kommt.
Was soll frauenpolitisch im Bündnis für Arbeit verankert werden?
Zum Beispiel geht es in der Arbeitsgruppe Ausbildung um die Frage, wie man eine breitere Berufswahl von Mädchen motivieren kann. Im Rahmen des 100.000-Jobs-Programmes klappt es recht gut: Dort ist die Quote wirklich festgeschrieben. Wir fördern Modelle, die Mädchen gezielt in die technischen und gewerblichen Bereiche bringen. Aber wir sind insgesamt mit der Ausbildungsbereitschaft nicht zufrieden. Es gibt erst wenige positive Ansätze. Die Telekom wirbt zum Beispiel gezielt um Mädchen, weil die im technischen Bereich wirklich gut sind. Sie hat jetzt ihr Auswahlverfahren geändert, um Mädchen anzulocken.
Frauenförderung – ob nun in der Wirtschaft oder im öffentlichen Dienst – lief immer auf einen Frauenförderplan heraus. Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, daß diese Pläne bis jetzt größtenteils wirkungslos waren. Muß man sie nicht eher verschärfen als auf Konsens zu setzen?
Nein, ich glaube, Zielvereinbarungen, also Vertragsschlüsse, sind wirkungsvoller. Diese Zielvereinbarungen müssen im Leitungsbereich angesiedelt sein. Aber für die Bestandsaufnahme sind die Pläne ein wichtiges Instrument: Wie sieht es aus, wo ist Verbesserungsbedarf, und wie stellen wir es an, daß mehr Frauen qualifiziert oder andere Arbeitszeitmodelle eingeführt werden. Und dann stellt sich als letztes natürlich immer die Frage nach Sanktionsmöglichkeiten.
Nun sagt die Forschung aber auch, daß Frauenförderung allein ein zahnloser Tiger bleibt, wenn man nicht die Kinderfrage klärt, zum Beispiel die Ganztagsbetreuung.
Es gibt unbestreitbar einen großen Nachholbedarf, insbesondere in den alten Ländern. Das ist auch vom jeweiligen Rollenbild abhängig. In Frankreich oder Nordeuropa ist es einfach kein Thema mehr – die lachen uns aus. Jetzt müssen dort, wo die Zahl der Kinder abnimmt, die Kindergartenplätze für jüngere Kinder erhalten bleiben. Wir müssen sehen, wie wir das System der Tagesmütter – auch über Arbeitsmarktmodelle wie Dienstleistungsagenturen – organisieren können.
Ist Frauenpolitik ohne Männerpolitik im Bereich Arbeits-und Familienzeit überhaupt machbar?
Wir wollen den Männern ja anbieten, sich am Erziehungsurlaub durch die Änderung des Erziehungsgeldgesetzes zu beteiligen.Erziehungsurlaub nehmen bis jetzt nur zwei Prozent der Männer. Aber Frauen können auch etwas dafür tun, daß es anders wird: indem sie deutlich machen, daß sie Männer, die sich an der Erziehungsarbeit beteiligen, gut finden.
Interview: Heide Oestreich
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