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Brandsätze im Herzen der Stadt

Kriegsgegner protestierten mit zwei Brandsätzen gegen den Kosovo-Krieg in Berlins Touristenattraktion Nummer eins, der Info-Box. Polizei verstärkt Objektschutz rund um den Potsdamer Platz. Vor zwei Wochen war das Luftwaffenmuseum Ziel von zwei Anschlägen  ■   Von Julia Naumann

Berlin ist Hauptstadt des bundesdeutschen Tourismus. Das haben jetzt auch militante Kriegsgegner erkannt: Allein in den vergangenen drei Wochen haben autonome Gruppen drei Anschläge auf Touristenattraktionen verübt.

Jüngstes Ziel war die Infobox am Potsdamer Platz. In dem knallroten Gebäude, das jede Woche rund 9.000 TouristInnen besuchen, hat die Polizei am Dienstag zwei Brandbomben gefunden. Sie entdeckten sie – versteckt in Kartons – hinter einer Videoleinwand und einer hölzernen Ausstellungswand. Die selbstgebauten Brandsätze explodierten jedoch nicht, sondern wurden von MitarbeiterInnen des Staatsschutzes entschärft, nachdem ein Bekennerschreiben bei einer Berliner Tageszeitung eingegangen war.

In dem Schreiben, das von einer „Autonomen Gruppe you make mist, we kehr for you“ verfaßt wurde, heißt es: „Wir haben in der Nacht zum 18.05.1999 in der Info-Box am Potsdamer Platz zwei klitzekleine Brandsätze gezündet und hoffen, daß die Sprinkleranlage das scheußliche Teil zum Durchrosten bringt.“ Die Gruppe, die sich den Spruch „we kehr for you“ von einer erfolgreichen Werbekampagne der Berliner Stadtreinigungs Betriebe „entliehen“ hat, protestierte in ihrem Schreiben gegen den Kosovo-Krieg und Bundesaußenminister Joschka Fischer. Die Info-Box wurde für anderthalb Stunden gesperrt, mehrere Hundertschaften der Polizei waren vor Ort.

Eine autonome Gruppe „Zerschlagt die Nato“ hatte bereits vor knapp zwei Wochen zweimal hintereinander einen Brandanschlag auf das Luftwaffenmuseum in Berlin Gatow verübt. Auf dem ehemaligen Alliierten-Flughafen sind Kampfflugzeuge der Nato und des Warschauer Paktes ausgestellt. Beim ersten Anschlag entstand geringer Sachschaden, beim zweiten Mal entdeckte der Leiter des Museums rechtzeitig den Brandsatz. Die Gruppe kritisierte in einem Bekennerschreiben, daß den BesucherInnen des Luftwaffenmuseums „vorgegaukelt werde, wie großartig die technischen Leistungen der Piloten im Luftkrieg“ seien. Sie forderte Solidarität mit allen Flüchtlingen des Krieges und offene Grenzen.

In der Infobox am Potsdamer Platz herrschte gestern wieder Normalität: Reisebusse spuckten wie eh und je TouristInnen aus, auf der Plattform, von der aus man über ganz Berlin schauen kann, drängelten sich die BerlinbesucherInnen. Im Inneren der Box das gleiche Bild: Andrang vor den zahlreichen Schautafeln, die über die Entwicklung des Potsdamer Platzes informieren, und Schlangen an den Kassen.

Doch der Schein trügt. Die MitarbeiterInnen der Infobox waren gestern noch aufgeregt. „Wir haben den Wachdienst verstärkt“, sagte Ariane Ribbeck, die Geschäftsleiterin. Jeden Abend und jeden Morgen werde die Box, die unter anderem von Daimler-Benz und der Telekom gesponsert wird, von den MitarbeiterInnen nach möglichen Brandsätzen durchsucht. Auch die Polizei habe den Objektschutz verstärkt. Nicht nur für die Infobox, sondern für den gesamten Potsdamer Platz, so Ribbeck weiter. Dazu wollte die Polizei gestern keine Stellung nehmen. Ein Sprecher sagte lediglich, daß das Bekennerschreiben auf seine Echtheit geprüft werde.

In den Arkaden des Potsdamer Platzes, die nur etwa einhundert Meter von der Info-Box entfernt liegen, gab es vor drei Wochen eine Anti-Kriegsaktion, an der sich 30 Menschen beteiligten. Sie ließen von der Balustrade des Einkaufzentrums Transparente herab, außerdem wurden Flugblätter verteilt und „einige Mehlbeutel“ geworfen, wie es in der Autonomen-Zeitschrift Interim heißt. Die Aktion habe im „rausgeputzen, sterilen Konsumtempel“ viel Aufmerksamkeit erregt, viele PassantInnen hätten zugeschaut und die Flugblätter gelesen. Die Aktion endete nach Polizeiangaben mit einem Handgemenge und dem Werfen von Farbeiern. Vier Protestierer wurden festgenommen.

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